Der Nationalrat hat am 4. Mai 2023 als behandelnder Erstrat die Motion «Schluss mit den Lippenbekenntnissen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit» angenommen.

Der Bundesrat soll nach dieser Motion beauftragt werden, einen Entwurf für die Ergänzung des Gleichstellungsgesetzes vorzulegen, der konkrete Sanktionen für das Nicht-Einhalten des verfassungsrechtlichen Auftrags (BV, Art. 8, Abs. 3) vorsieht und dazu die entsprechenden Kriterien definiert.

 

Begründung

Die Motion wird wie folgt begründet:

Seit Jahren scheitern alle Versuche, dem Verfassungsartikel 8, der gleichen Lohn für gleiche Arbeit fordert, auch auf Gesetzesebene zum Durchbruch zu verhelfen. Anstatt wie in anderen Erlassen üblich, Kriterien und Sanktionen festzulegen, sind lediglich Analysen und Berichte vorgesehen.

Spätestens seit dem Beginn der laufenden Revision der Altersvorsorge wird die Bedeutung dieses Mangels ganz offensichtlich: Eine mögliche Erhöhung des Rentenalters ist – namentlich den Frauen – nicht vermittelbar, wenn nicht gleichzeitig dafür gesorgt wird, dass bei geschlechterbedingten Lohndiskrepanzen endlich ernst gemacht und die Verfassung umgesetzt wird.

 

Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat verlangte die Ablehnung der Motion und hat wie folgt Stellung genommen:

Während der Debatten zur Änderung des Gleichstellungsgesetzes (GlG, SR 151.1), das am 14. Dezember 2018 verabschiedet wurde, wurde die Frage möglicher Sanktionen bei Nichteinhaltung der Lohngleichheit im Parlament ausführlich diskutiert. Am Ende beschloss es, keine Sanktionen vorzusehen. Seither haben es das Parlament und dessen Kommissionen immer wieder abgelehnt, die neuen Bestimmungen des GlG mit Sanktionen zu versehen (siehe z. B. die parlamentarischen Initiativen der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates 20.400, Reynard 19.452 und 19.453 oder Marti 19.444).

Die Revision des GlG ist im Juli 2020 in Kraft getreten. Unternehmen mit mehr als 100 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mussten die Lohngleichheitsanalyse bis Ende Juni 2021 durchführen. Die Analysen werden zurzeit durch zugelassene Revisorinnen und Revisoren überprüft. Im Hinblick auf die Rechtssicherheit und die Vorhersehbarkeit erscheint es unangemessen, das Gesetz jetzt zu ändern.

Zudem sieht Artikel 17b GlG vor, dass der Bundesrat die Massnahmen spätestens neun Jahre nach Inkrafttreten der Bestimmungen, also spätestens im Jahr 2029, in einem Bericht zuhanden des Parlaments evaluiert. Der Bundesrat ist bereit, nach einer gewissen Zeit eine Zwischenbilanz zu ziehen. Nur ein Jahr nach Inkrafttreten ist es dafür aber deutlich zu früh. Vor dem Hintergrund des Ausgeführten sieht der Bundesrat derzeit keinen Handlungsbedarf.

 

Keine weiteren Massnahmen

Weitere Massnahmen zur Lohngleichheit sollen hingegen erst nach einer Zwischenbilanz über das Gleichstellungsgesetz erfolgen. Die verantwortliche Kommission hat sich eingehend mit dem Thema der Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern auseinandergesetzt. Sie hat verschiedene parlamentarische Vorstösse behandelt und von mehreren Berichten zu diesem Thema Kenntnis genommen. Da für 2025 eine Zwischenbilanz über die Revision des Gleichstellungsgesetzes vorgesehen ist, möchte sie derzeit mit neuen Massnahmen zur Lohngleichheit noch abwarten.

 

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Autor: Nicolas Facincani 

 

Weitere umfassende Informationen zum Gleichstellungsgesetz finden sie hier.