Der Bundesrat hat am 8. Dezember 2023 die Vernehmlassung für eine Teilrevision des Behindertengleichstellungsgesetzes eröffnet. Die Vorlage soll Menschen mit Behinderungen im Erwerbsleben und beim Zugang zu Dienstleistungen besser vor Diskriminierungen schützen. Zudem wird die Gebärdensprache anerkannt. Vier Schwerpunktprogramme in den Bereichen Arbeit, Dienstleistungen, Wohnen und Partizipation ergänzen die vorgeschlagenen Verbesserungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen.

 

Geplante Arbeitgeberpflichten – Einleitung

Menschen mit Behinderungen sind heute nur dann umfassend vor Diskriminierungen geschützt, wenn der Staat der Arbeitgeber ist oder Dienstleistungen anbietet. Der Vorentwurf sieht deshalb vor, den Schutz vor direkten und indirekten Diskriminierungen bei privaten Arbeitsverhältnissen und Dienstleistungen auszubauen. Arbeitgebende und Dienstleistungserbringende sollen nach der Vernehmlassungsvorlage dazu verpflichtet werden, zum Abbau von Benachteiligungen angemessene Vorkehrungen vorzunehmen. Diese Vorkehrungen müssen zum einen für das entsprechende Unternehmen zumutbar sein. Zum anderen müssen sie geeignet sein, in einer konkreten Situation eine Benachteiligung zu verringern. Dazu gehört zum Beispiel die Verpflichtung, Online-Dienstleistungen barrierefrei anzubieten oder Mitarbeitenden mit Behinderungen flexiblere Arbeitszeiten zu ermöglichen.

 

Geplanter Bestimmungen des Behindertengleichstellungsgesetzes

Art. 6a Arbeitsverhältnisse

1 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Behinderungen dürfen auf Grund ihrer Behinderung weder direkt noch indirekt diskriminiert werden, insbesondere bei der Stellenbesetzung, den Anstellungs- und Arbeitsbedingungen, der Entlöhnung, der Aus- und Weiterbildung, der Beförderung und der Entlassung.

2 Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen angemessene Vorkehrungen treffen, um Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen zu verhindern, zu verringern oder zu beseitigen.

Art. 8a Rechtsansprüche bei Arbeitsverhältnissen

1 Wer von einer Diskriminierung im Sinne von Artikel 6a Absatz 1 betroffen ist, kann beim Gericht oder bei der Verwaltungsbehörde verlangen: a. eine drohende Diskriminierung zu verbieten; b. eine bestehende Diskriminierung zu beseitigen; c. eine Diskriminierung festzustellen, wenn sich diese weiterhin störend auswirkt; d. die Arbeitgeberin oder den Arbeitgeber anzuweisen, eine Entschädigung zuzusprechen.

2 Besteht die Diskriminierung in der Ablehnung einer Anstellung oder in der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nach dem OR4, so hat die betroffene Person lediglich Anspruch auf eine Entschädigung durch die Arbeitgeberin oder den Arbeitgeber. Diese ist unter Würdigung aller Umstände festzusetzen und wird auf der Grundlage des voraussichtlichen oder tatsächlichen Lohns berechnet.

3 Bei einer diskriminierenden Kündigung ist Artikel 336a des OR anwendbar. Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung sowie darüberhinausgehende vertragliche Ansprüche der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers bleiben vorbehalten.

4 Wer auf Grund seiner Behinderung diskriminiert wird, weil die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber angemessene Vorkehrungen im Sinne von Artikel 6a Absatz 2 verweigert, kann beim Gericht oder bei der Verwaltungsbehörde verlangen, diese Vorkehrungen anzuordnen oder ihm eine Entschädigung zuzusprechen, die vom Gericht oder der Verwaltungsbehörde unter Würdigung aller Umstände festgelegt wird.

Art. 9a Verfahren bei Arbeitsverhältnissen

1 Wer auf Grund seiner Behinderung eine Diskriminierung geltend macht, weil seine Bewerbung für eine Anstellung wegen seiner Behinderungen nicht berücksichtigt wurde, kann von der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber eine schriftliche Begründung verlangen.

2 Der Anspruch auf eine Entschädigung ist verwirkt, wenn nicht innert drei Monaten, nachdem die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber die Ablehnung der Anstellung mitgeteilt hat, Klage erhoben wird.

3 Bei einer diskriminierenden Kündigung ist Artikel 336b des OR anwendbar. Art. 9b Beweislasterleichterung Bei Verfahren nach den Artikeln 8 und 8a gilt eine Diskriminierung oder eine Benachteiligung als gegeben, wenn diese von der betroffenen Person glaubhaft gemacht wird.

Art. 9b Beweislasterleichterung

Bei Verfahren nach den Artikeln 8 und 8a gilt eine Diskriminierung oder eine Benachteiligung als gegeben, wenn diese von der betroffenen Person glaubhaft gemacht wird.

Art. 10 Abs. 1

1 Die Verfahren nach den Artikeln 7–8a und sind unentgeltlich.

Art. 11 Allgemeine Grundsätze

1 Das Gericht oder die Verwaltungsbehörde ordnet die Beseitigung der Benachteiligung nicht an, wenn der für Behinderte zu erwartende Nutzen in einem Missverhältnis steht, insbesondere: a. zum wirtschaftlichen Aufwand; b. zu Interessen des Umweltschutzes sowie des Natur- und Heimatschutzes; c. zu Anliegen der Verkehrs- und Betriebssicherheit.

2 Das Gericht berücksichtigt bei der Festlegung der Entschädigungen nach den Artikeln 8 Absatz 2 Buchstabe d und 8a Absatz 1 Buchstabe d sämtliche Umstände sowie die Schwere der Diskriminierung.

Art. 12a Angemessene Vorkehrungen

1 Weigert sich ein Unternehmen, angemessene Vorkehrungen nach Artikel 6 Absatz 2 zu treffen, so berücksichtig das Gericht bei der Interessenabwägung nach Artikel 11 Absatz 1 insbesondere: a. die Grösse und die finanziellen Möglichkeiten des Unternehmens; b. die Anzahl der Personen, die die Dienstleistung in Anspruch nehmen; c. das Vorhandensein einer Ersatzlösung, die geeignet ist, Benachteiligung zu verhindern, zu verringern oder zu beseitigen; d. die Beeinträchtigung der Rechte und Freiheiten Dritter.

2 Weigert sich ein Unternehmen, angemessen Vorkehrungen nach Artikel 6a Absatz 2 zu treffen, so berücksichtigt das Gericht oder die Verwaltungsbehörde bei der Interessenabwägung nach Artikel 11 Absatz 1 insbesondere: a. die Grösse und die finanziellen Möglichkeiten des Unternehmens; b. das Vorhandensein einer Ersatzlösung, die geeignet ist, Benachteiligung zu verhindern, zu verringern oder zu beseitigen; c. die Beeinträchtigung der Rechte und Freiheiten Dritter, insbesondere der anderen Arbeitnehmenden.

 

Erläuterungen: Art. 6a (neu) Arbeitsverhältnisse

Abs. 1 dieser Bestimmung verbietet Diskriminierungen aufgrund einer Behinderung durch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Erfasst sind sowohl direkte Diskriminierungen (Regelungen oder Massnahmen, die an das Merkmal «Behinderung» anknüpfen, zu einer Schlechterstellung führen und sich nicht durch ernsthafte, triftige Gründe rechtfertigen lassen), sowie indirekte Diskriminierungen (Regelungen oder Massnahmen, die zwar keine Differenzierung aufgrund des Merkmals «Behinderung» vorsehen, jedoch typischerweise Menschen mit Behinderungen benachteiligen und sich nicht durch ernsthafte, triftige Gründe rechtfertigen lassen). Das Diskriminierungsverbot gilt sowohl für öffentlich-rechtliche wie für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse. Die explizite Verankerung dieses Diskriminierungsverbots ist angebracht, da die allgemeinen Grundsätze des Privatrechts zum Schutz vor Diskriminierung wegen einer Behinderung kaum Wirkung entfaltet haben.

Abs. 1 der vorgeschlagenen Regelung hält zudem fest, dass das Diskriminierungsverbot in allen Phasen und Aspekten des Arbeitsverhältnisses gilt, so insbesondere schon bei dessen Begründung.

Abs. 2 verpflichtet Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, angemessene Vorkehrungen zu ergreifen, um Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen zu verhindern, zu verringern oder zu beseitigen. Er bringt damit zum Ausdruck, dass über das Beseitigen oder Unterlassen einer Schlechterstellung wegen einer Behinderung hinaus Anpassungen des Arbeitsumfelds oder der Arbeitsbedingungen erforderlich sein können, um Menschen mit Behinderungen zu erlauben, gleichgestellt einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können. Angemessene Vorkehrungen sind diejenigen Massnahmen, die auf die konkrete (Arbeits-)Situation bezogenen geeignet sind, eine (drohende oder bestehende) Benachteiligung wegen einer Behinderung zu verhindern, zu beseitigen oder zu verringern, sofern der damit verbundene Aufwand (u. a. bezüglich der Kosten oder die Wirtschaftlichkeit) nicht unzumutbar ist. Solche Anpassungen können etwa die Ausgestaltung der Räumlichkeiten, des Arbeitsgeräts, des Arbeitsrhythmus, die Arbeitszeit, den Arbeitsort, Anpassungen am Pflichtenheft, bei den Aus- und Weiterbildungsmassnahmen oder das Versetzen in eine andere Position bedeuten.

Die Massnahme muss verhältnismässig, sachlich und angemessen sein. Angemessene Vorkehrungen beziehen sich auf Art. 11 ff., insbesondere auf Art. 12a Abs. 2, der die Kriterien nennt, denen bei der Beurteilung der Vorkehrungen, die dem Arbeitgeber auferlegt werden können, Rechnung zu tragen ist. Die Weigerung, in einem konkreten Fall eine angemessene Vorkehrung zu treffen, kann eine Diskriminierung darstellen. Die Weigerung kann hingegen gerechtfertigt sein, wenn die erforderlichen Anpassungen zu einer unverhältnismässigen Belastung führen. Während vernünftigerweise von einem Arbeitgeber verlangt werden kann, dass die Arbeitszeiten flexibel gestaltet werden, ist dies nicht der Fall, wenn von ihm verlangt wird, das Pflichtenheft wesentlich abzuändern. Ebenso ist es zwar zumutbar, bestimmte besondere Bedürfnisse einer Person mit Behinderungen zu berücksichtigen und z. B. die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, anzubieten, aber es ist unverhältnismässig, dies auf Kosten der Gleichbehandlung der anderen Beschäftigten zu tun, indem man etwa von ihnen verlangt, häufiger im Büro anwesend zu sein, um z. B. einen Pikettdienst sicherzustellen. Im Streitfall müssen die Kriterien der Verhältnismässigkeit in jedem Fall sorgfältig geprüft werden (vgl. Art. 12a). Die Verpflichtung, angemessene Vorkehrungen vorzunehmen, gilt für sämtliche Arbeitgeber. Da angemessene Vorkehrungen an den konkreten Umständen ansetzen, werden die unterschiedlichen Bedingungen und Möglichkeiten von Arbeitgebern in diesem Rahmen berücksichtigt.

 

Erläuterungen: Art. 8a (neu) Rechtsansprüche im Arbeitsverhältnis

Art. 8a hält fest, welche Rechtsansprüche bei einer Diskriminierung gemäss Art. 6a (Arbeitsverhältnisse) geltend gemacht werden können. Bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis nach OR gilt jenes Gesetz. Staatsangestellte sind mit verwaltungsrechtlichen Vertrag angestellt. Auf Bundesebene gilt das Bundespersonalgesetz vom 24. März 2000 (BPG), das die Beziehungen zwischen dem Bund und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern regelt, auf kantonaler und kommunaler Ebene gelten die entsprechenden Personalgesetze. Bei Streitigkeiten, die das öffentliche Arbeitsrecht betreffen, muss sich die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer daher an das zuständige Gericht oder die zuständige Verwaltungsbehörde des Kantons oder der Gemeinde wenden. Das Verfahren ist je nach Behörde unterschiedlich.

Abs. 1 regelt die Rechtsansprüche bei einer Diskriminierung gemäss Art. 6a Abs. 1. Die Bestimmung sieht dieselben Rechtsansprüche vor, wie sie sich auch aus dem Persönlichkeitsschutz oder aus Art. 5 Abs. 1 GlG ergeben. Beim Gericht oder der zuständigen Verwaltungsbehörde kann beantragt werden, eine drohende Diskriminierung zu verbieten (Unterlassungsklage; Bst. a) – z. B. wenn die Bekanntgabe einer Beförderung, die einen Mitarbeiter mit Behinderungen ungerechtfertigt diskriminiert, kurz bevorsteht; eine bestehende Diskriminierung zu beseitigen (Beseitigungsklage; Bst. b) oder eine Diskriminierung festzustellen, wenn sich diese weiterhin störend auswirkt (Feststellungsklage; Bst. c) oder einen Schadenersatz oder eine Genugtuung zu verlangen (Bst. d). Zu beachten ist, dass die Klage auf Schadenersatz (Bst. d) es dem Opfer ermöglicht, neben einer Entschädigung gegebenenfalls zusätzlich eine Genugtuung zu verlangen.

Abs. 2 sieht vor, dass bei einer Diskriminierung bei der Begründung oder der Auflösung des Arbeitsverhältnisses ausschliesslich eine Entschädigung verlangt werden kann. Eine identische Regel findet sich in Art. 5 Abs. 2 GlG. Eine Verpflichtung, ein Arbeitsverhältnis zu begründen oder auf eine erfolgte Beendigung zurückzukommen, besteht nicht. Die Entschädigung ist unter Würdigung aller Umstände festzulegen. Auf die Bezeichnung eines Höchstbetrags wird verzichtet, insbesondere um zu vermeiden, dass damit indirekt auch die Aufwände für angemessene Vorkehrungen begrenzt werden (Art. 11 Abs. 2).

Abs. 3 zeigt, dass der in Art. 336a OR vorgesehene Maximalbetrag bei missbräuchlicher Kündigung jedoch anwendbar bleibt.

Abs. 4 hält fest, dass eine bestehende Diskriminierung durch angemessene Vorkehrungen beendet oder beseitigt werden kann. Werden angemessene Vorkehrungen verweigert, kann zusätzlich zu den Forderungen in Abs. 1 beim Gericht oder bei der Verwaltungsbehörde verlangt werden, dass die notwendigen und angemessenen Massnahmen zur Beseitigung einer Benachteiligung angeordnet werden.

Wenn sich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Verweigerung angemessener Vorkehrungen als schwierig oder unmöglich erweist, kann anstelle der Anordnung angemessener Vorkehrungen auch eine Entschädigung verlangt werden. Diese ist wie im Fall einer diskriminierenden Nichtanstellung oder Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände festzulegen.

 

Erläuterungen: Art. 9a (neu) Verfahren bei Arbeitsverhältnissen

Art. 9a regelt in Anlehnung an das GlG das Verfahren bei einer diskriminierenden Ablehnung einer Anstellung und bei einer diskriminierenden Kündigung.

Abs. 1 gibt den Personen, deren Bewerbung nicht berücksichtigt wurde und die eine Diskriminierung geltend machen, Anspruch auf eine schriftliche Begründung der Nichtanstellung. Dies gilt sowohl für privatrechtliche wie für öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnisse.

Abs. 2 bestimmt, dass der Anspruch auf eine Entschädigung verwirkt ist, falls eine Klage oder Beschwerde nicht innert drei Monaten nach der Mitteilung der Nichtanstellung angehoben wird. Es versteht sich von selbst, dass das Gericht oder die Verwaltungsbehörde in einem Rechtsstreit wegen einer nicht erfolgten Anstellung auch prüfen wird, ob die Nichtanstellung mit Wirtschaftlichkeitsüberlegungen begründet wird, die im konkreten Fall nicht greifen (Vorwegnahme der Verpflichtung, angesichts der persönlichen Situation des Bewerbers bzw. der Bewerberin angemessene Vorkehrungen zu treffen).

Abs. 3 hält fest, dass bei einer diskriminierenden Kündigung eines Arbeitsverhältnis Art. 336b OR Anwendung findet. Diese Bestimmung hält fest, dass ein Anspruch auf Entschädigung nur geltend gemacht werden kann, wenn spätestens bis zum Ablauf der Kündigungsfrist schriftlich Einsprache erhoben wird. Ist die Einsprache gültig erfolgt und einigen sich die Parteien nicht über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, so kann die Partei, der gekündigt worden ist, ihren Anspruch auf Entschädigung geltend machen. Wird nicht innert 180 Tagen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Klage anhängig gemacht, ist der Anspruch verwirkt.

 

Erläuterungen: Art. 9b (neu) Beweislasterleichterung

Art. 9b sieht, ebenfalls angelehnt an das GlG, eine Beweislasterleichterung vor, da die von einer Diskriminierung betroffenen Arbeitnehmenden in der Regel nicht über die Informationen verfügen, um das Vorliegen einer Diskriminierung beweisen zu können.

Diese Regelung ist gerechtfertigt, «weil sie eine tatsächliche Ungleichheit, nämlich die Konzentration der Beweismittel in den Händen des Arbeitgebers, korrigiert».45 Um zu verhindern, dass leichtfertig Klagen eingereicht werden, wird verlangt, dass die Person, die einen Schaden geltend macht, vor der Beweislastumkehr Indizien vorlegt, die das Vorhandensein einer Diskriminierung glaubhaft machen. Dies kann im Fall einer Benachteiligung der «Nachweis» der Behinderung sein, der insbesondere durch ärztliche Atteste oder Arztzeugnisse erbracht wird, sowie der Nachweis, dass der Antrag auf Anpassung hinreichend klar gestellt wurde.

Es wird vorgeschlagen, die gleiche Beweislasterleichterung auch bei den leistungsbezogenen Ansprüchen aus Art. 8 E-BehiG anzubieten. Würde man die allgemeinen Beweislastregeln anwenden, hätte die Person, die einen Schaden geltend macht, die Beweislast für die Angemessenheit der Vorkehrungen und darüber hinaus für deren «Zumutbarkeit» zu tragen. Dies wäre jedoch nur denkbar, wenn man die Situation des Dienstleisters, insbesondere seine finanzielle Lage, sehr genau kennt.

 

Erläuterungen: Art. 10 Abs. 1

Abs. 1 wird revidiert, damit die bestehenden Verweise den entsprechenden Artikeln des Vorentwurfs entsprechen, und um die Unentgeltlichkeit des Verfahrens auf die neuen Rechtsansprüche von Art. 8a auszudehnen.

 

Art. 12a (neu) Angemessene Vorkehrungen

Der neue Art. 12a betrifft die Prüfung der Verhältnismässigkeit in Bezug auf angemessene Vorkehrungen. Dieser Artikel präzisiert sie und schafft Rechtssicherheit, indem er nicht kumulative Kriterien aufzählt, die im Falle eines Rechtsstreits zu berücksichtigen sind.

Abs. 1 präzisiert die Prüfung der Verhältnismässigkeit im Falle einer Weigerung, angemessene Vorkehrungen beim Zugang zu Dienstleistungen vorzunehmen. Abs. 2 präzisiert die Prüfung der Verhältnismässigkeit im Falle einer Weigerung, angemessene Vorkehrungen im Rahmen von Arbeitsverhältnissen vorzunehmen. Die beiden Konstellationen werden unterschieden, weil sie zwei unterschiedlichen Verfahren folgen. In beiden Fällen sind jedoch drei gleiche Kriterien zu berücksichtigen:

die Grösse und die finanziellen Möglichkeiten des Unternehmens; so kann von einem grossen Detailhandelsunternehmen mehr verlangt werden als von einem kleinen oder mittleren Unternehmen wie einem Quartierladen oder einem Coiffeursalon. Ein besonderes Interesse gilt den Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens. Um ferner nach Leistungsarten zu unterscheiden, erscheint es sinnvoll, höhere Anforderungen an die Vorkehrungen für den Zugang zu einer Leistung oder deren Nutzung vorzusehen, wenn diese von vielen Personen in Anspruch genommen wird (Abs. 1 Bst. b). Die Frage, ob eine Mindestgrösse des Unternehmens vorausgesetzt werden sollte, wurde untersucht und als nicht zielführend erachtet, da viele Anpassungen auch für kleine Unternehmen leicht zu bewerkstelligen sind. Die vorgeschlagene Lösung stellt demnach sowohl sicher, dass geeignete Vorkehrungen ergriffen werden, als auch, dass sie für die Unternehmen tragbar sind.

eine Ersatzlösung, die geeignet ist, die Benachteiligung zu verhindern, zu verringern oder zu beseitigen; das Gericht oder die Verwaltungsbehörde berücksichtigt in Anlehnung an Art. 12 Abs. 3 BehiG auch «Ersatzlösungen, die vom Unternehmen angeboten wurden und die den geforderten Vorkehrungen entsprechen.

die Beeinträchtigung der Rechte und Freiheiten Dritter: Das letzte Kriterium umfasst die Konsumentenrechte, die Wirtschaftsfreiheit und die damit verbundenen Rechte. Es umfasst auch die Rechte der Arbeitnehmenden, sei es bei der Gestaltung einer Dienstleistung oder der Arbeitsumgebung (Rechte anderer Arbeitnehmenden).

In beiden Absätzen ermöglicht das Adverb «insbesondere» der auslegenden Behörde, andere überwiegende Interessen vorzusehen, die in einer konkreten Situation gegeneinander abzuwägen sind.

 

Weitere Beiträge zu Diskriminierungen, insbesondere aufgrund des Geschlechts:

 

Autor: Nicolas Facincani 

 

Weitere umfassende Informationen zum Gleichstellungsgesetz finden sie hier.