Verschiedene rechtliche Bestimmungen schützen Arbeitnehmer vor sexueller Belästigung. So schreibt Art. 328 OR grundsätzlich vor, dass der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht sexueller Belästigung vorzubeugen und dafür zu sorgen hat, dass einem Opfer keine weiteren Nachteile entstehen. Das Gleichstellungsgesetz (GlG) soll zudem insbesondere vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts schützen. Die sexuelle Belästigung wird als Diskriminierung angesehen und gleich definiert. Als sexuelle Belästigung gilt jedes belästigende Verhalten sexueller Natur oder ein anderes Verhalten aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit, das die Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz beeinträchtigt.
Beispiele sexueller Belästigung
Wie die nachfolgende Auflistung von Beispielen zeigt, gibt es verschieden Stufen von sexueller Belästigung. Als sexuelle Belästigung gelten etwa:
- anzügliche und zweideutige Bemerkungen über das Äussere
- sexistische Bemerkungen oder Witze über sexuelle Merkmale, sexuelles Verhalten und die sexuelle Orientierung von Frauen und Männern
- Vorzeigen von pornografischem Material
- Unerwünschte Einladungen mit eindeutiger Absicht
- unerwünschten Körperkontakten
- sexuellen Übergriffen, Nötigung oder Vergewaltigung
Studie des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) und des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO)
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz bezeichnet aus rechtlicher Sicht eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und ist als solche im Gleichstellungsgesetz ausdrücklich verboten. Eine neue Studie des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) und des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) zeigt, dass sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz in der Schweiz trotz Präventionsmassnahmen ein weit verbreitetes Problem ist. Die vom EBG und SECO in Auftrag gegebene Studie ist die zweite Erhebung zu diesem Thema nach der ersten Studie von 2008. Befragt wurden dieses Mal Arbeitnehmende und Arbeitgebende.
Die Wahrnehmung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz kann individuell unterschiedlich sein. Aus diesem Grund wurden die Arbeitnehmenden einerseits gefragt, ob sie sich im bisherigen Erwerbsleben sexuell belästigt gefühlt und damit sexuelle Belästigung im Sinne des Gleichstellungsgesetzes erlebt haben. Andererseits wurden die Arbeitnehmenden gefragt, ob sie im bisherigen Erwerbsleben konkrete sexistische und sexuelle Verhaltensweisen erlebt haben, die gemäss Gleichstellungsgesetz als sexuelle Belästigung eingestuft werden könnten, von den Befragten aber nicht zwingend als solche wahrgenommen wurden. Abgefragt wurden zwölf Verhaltensweisen, die ein breites Spektrum von sexistischen oder abwertenden Sprüchen, Witzen und Nachrichten, obszönen Gesten, körperlichen Annäherungen bis hin zu sexuellen Übergriffen abdecken.
Frauen, junge Berufstätige und Auszubildene sind besonders betroffen
Die Ergebnisse zeigen, dass ein Drittel der Arbeitnehmenden im bisherigen Erwerbsleben sexuell belästigt wurde – bei Frauen liegt der Anteil mit 44 Prozent deutlich höher als bei Männern mit 17 Prozent. Mehr als die Hälfte (52 Prozent) hat zudem im Verlauf des Berufslebens mindestens eine der abgefragten sexistischen oder sexuellen Verhaltensweisen erlebt. Auch hier sind Frauen (59 Prozent) deutlich häufiger betroffen als Männer (46 Prozent).
Jüngere Beschäftigte haben in den letzten zwölf Monaten mehr Vorfälle erlebt und fühlten sich häufiger sexuell belästigt als ältere. Der Einfluss des Alters ist bei den Frauen besonders deutlich. Allein in den letzten zwölf Monaten hat ein Drittel der jungen Frauen zwischen 16 und 25 Jahren sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt. Häufig betroffen sind ausserdem Personen in Branchen mit vielen Kundenkontakten wie dem Gastgewerbe, der Banken- oder der Gesundheitsbranche. Bei den belästigenden Personen handelt es sich am häufigsten um männliche Arbeitskollegen derselben Hierarchiestufe. Bei den Frauen, die von Belästigung berichteten, ging diese oft auch von Vorgesetzten aus.
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Autor: Nicolas Facincani
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