Während das Obligationenrecht für Fälle von missbräuchlicher Kündigung und das Gleichstellungsgesetz für diskriminierende Kündigungen die Geltendmachung einer Entschädigung vorsehen, gibt es im Gleichstellungsgesetz zusätzlich die Möglichkeit bei Vorliegen einer Rachekündigung die Wiedereinstellung zu verlangen und gerichtlich durchzusetzen.
Voraussetzungen der Wiedereinstellung
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitgeberin oder den Arbeitgeber ist anfechtbar, wenn sie ohne begründeten Anlass auf eine innerbetriebliche Beschwerde über eine Diskriminierung oder auf die Anrufung der Schlichtungsstelle oder des Gerichts durch die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer folgt (Art. 10 Abs. 1 GlG). Der Kündigungsschutz gilt für die Dauer eines innerbetrieblichen Beschwerdeverfahrens, eines Schlichtungs- oder eines Gerichtsverfahrens sowie sechs Monate darüber hinaus (Art. 10 Abs. 2 GlG). Die Kündigung muss vor Ende der Kündigungsfrist beim Gericht angefochten werden (Art. 10 Abs. 3, 1. Satz GlG).
Beschwerde wegen Diskriminierung
Es muss eine Beschwerde wegen einer Diskriminierung gemäss Gleichstellungsgesetz vorliegen. In Frage kommen Diskriminierungen gemäss Art. 3 GlG (Diskriminierung) und Art. 4 GlG (sexuelle Belästigung). Möglich ist eine innerbetriebliche Beschwerde oder aber die Anrufung einer Schlichtungsstelle oder eines Gerichts wegen der Diskriminierung. Wie lediglich eine Beschwerde aufgrund eines Tatbestandes, welcher eine missbräuchliche Kündigung darstellen würde, eingereicht, so kommt die Wiedereinstellung nicht in Frage und es ist nur eine Entschädigung möglich. Wie die Beschwerde in rechtsmissbräuchlicher Absicht eingereicht, ist eine Wiedereinstellung nicht möglich (wobei nach Art. 3 ZGB der gute Glaube vermutet wird.
Kausalität
Eine Wiedereinstellung ist nur möglich, wenn die Kündigung gerade wegen der Beschwerde bzw. des Anrufens der Schlichtungsbehörde oder des Gerichts erfolgt. Soweit aber der Arbeitgeber begründeten Anlass zur Kündigung hatte, komme eine Wiedereinstellung nicht in Frage. Der begründete Anlass zur Kündigung ist dabei nicht auf Umstände beschränkt, die in der Person des gekündigten liegen. Wird zum Beispiel nachdem eine Beschwerde wegen sexueller Belästigung einging aufgrund der wirtschaftlichen Lage gekündigt, entfällt der Schutz der Wiedereinstellung.
Dauer des Schutzes
Der Schutz beginnt in dem Moment, wo sich der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin bei der innerbetrieblichen Stelle bzw. beim Vorgesetzten meldet. Ein konkretes Begehren ist nicht notwendig. Sofern das Gericht bzw. die Schlichtungsstelle angerufen wird, beginnt der Schutz mit der Rechtshängigkeit des Verfahrens (mit Postaufgabe des Begehrens).
Der Schutz endet 6 Monate nach dem innerbetrieblichen oder Schlichtungs- bzw. Gerichtsverfahrens, wobei hier das Ende mit Eintritt der Rechtskraft gleichgestellt wird.
Wird die Kündigung nach Ablauf der Schutzfrist ausgesprochen, kann in den meisten Fällen allenfalls eine Entschädigung nach Art. 336 Abs. 1 lit. d OR i.v.m. Art. 336a OR geltend gemacht werden.
Klagefrist
Die erfolgreiche Klage auf Wiedereinstellung setzt voraus, dass diese vor Ende der Kündigungsfrist beim Gericht eingereicht wird. Die Kündigung muss angefochten werden, sie ist nicht per se nichtig. Wird die Kündigung fristlos oder mit einer kürzeren als der vertraglichen bzw. gesetzlichen Frist ausgesprochen, kann die Kündigung innerhalb derjenigen Frist angefochten werden, welche ordentlicherweise für die Beendigung für den Arbeitsvertrag gelten würde.
Rechtsfolgen der Anfechtung
Ist die Anfechtung erfolgreich, ist der Arbeitnehmer so zustellen, wie wenn nicht gekündigt worden wäre. D.h. dass für die ganze Zeit rückwirkend der Lohn geschuldet ist – es gelten die Regeln des Annahmeverzuges nach Art. 324 OR.
Geltendmachung einer Entschädigung
Das Gesetz sieht vor, dass einem Arbeitnehmer bzw. einer Arbeitnehmerin nach der Einleitung des Anfechtungsprozesses die Möglichkeit zusteht, auf die Wiedereinstellung zu verzichten und eine Entschädigung gemäss Art. 336a OR geltend zu machen. Einsprache muss nicht erhoben werden – Art. 336b OR kommt somit nicht zu Anwendung.
Das Recht zur Änderung des Rechtsbegehrens bzw. auf die Wiedereinstellung zu verzichten kann in jedem Verfahrensstadium, auch im Rechtsmittelverfahren geltend gemacht werden.
Arbeitsgericht ZH, Urteil AN220047 vom 11.11.2024
Im Entscheid des Arbeitsgericht ZH, Urteil AN220047 vom 11.11.2024 hatte sich das Arbeitsgericht Zürich einem Fall einer verlangten Wiedereinstellung auseinanderzusetzen. Streitgegenstand waren Vorwürfe einer Redaktorin des „Magazins“, welche geltend machte, dass sie während Jahren systematisch sexuell belästigt, diskriminiert und gemobbt worden sei.
Das Arbeitsgericht Zürich hiess die Klage gut, da die betreffend Kündigung nach Erhebung einer innerbetrieblichen Beschwerde ausgesprochen wurde.
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Autor: Nicolas Facincani
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