Im Entscheid BGer 4A_431/2020 vom 29. Dezember 2020 zeigte es sich wieder einmal, wie rasch anwesende Personen Äusserungen verschieden verstehen und/oder interpretieren.

 

Dem Entscheid BGer 4A_431/2020 vom 29. Dezember 2020 lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Arbeitnehmer war ab dem Jahr 2000 beim Arbeitgeber angestellt. Ab dem 5. Oktober 2016 war der Arbeitnehmer arbeitsunfähig. Mit Schreiben vom 8. Februar 2017 kündigte der Arbeitgeber auf den 31. März 2017. Der Arbeitnehmer teilte dem Arbeitgeber mit, dass die Kündigung während einer Sperrfrist ausgesprochen worden war, die Kündigung sei somit nichtig.

Im April kam es zu einem treffen des Arbeitnehmers mit dem Arbeitgeber. Während dem Treffen eskalierte die Situation und der Arbeitnehmer beleidigte den Arbeitgeber, indem er ihn unter anderem „Arschloch“ („gros connard “ et de “ trou du cul“) bezeichnete. Bei dieser Gelegenheit bestätigte der Arbeitgeber die Entlassung des Arbeitnehmers (vor einem Zeugen sei gesagt worden, der Arbeitnehmer sei mit sofortiger Wirkung entlassen – „licencié sur le champ“).

Später teilte der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mit, dass er nicht mehr krankgeschrieben sei und ab dem 7. Juli 2017 wieder zur Arbeit zur Verfügung stehe. Der Arbeitgeber lehnte dies ab und war der Meinung, der Arbeitsvertrag sei im April fristlos gekündigt worden. Es stellte sich somit die Frage, ob eine ordentliche oder fristlose Entlassung vorlag.

 

Was liegt rechtlich gesehen vor?

Der Arbeitnehmer argumentierte in der Folge, dass es sich um eine unberechtigte fristlose Kündigung handle. Subsidiär machte er geltend, die Kündigung vom 8. Februar 2017 sei nichtig und forderte seinen Lohn bis zum 31. März 2018. Das Arbeitsverhältnis sei per diesem Datum beendet worden.

Der Arbeitgeber stellte sich primär auf den Standpunkt, die Kündigung sei per 31. März 2017 gültig erfolgt. Allfällige Sperrfristen wegen Krankheit seien im Kündigungszeitpunkt bereits abgelaufen gewesen.

Im Hinblick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses kam das erstinstanzliche Gericht zum Ergebnis, dass die Kündigung vom 8. Februar 2017 unwirksam sei und der Arbeitgeber im April 2017 erneut seine Bereitschaft bekundet habe, den Arbeitnehmer zu entlassen, allerdings mit sofortiger Wirkung. Es vertrat ferner die Auffassung, dass die Beleidigungen, die der Arbeitnehmer in Anwesenheit von Kunden gegenüber seinem Arbeitgeber geäussert hatte, einen berechtigten Grund für eine fristlose Entlassung darstellten (l’employeuse a prononcé un nouveau licenciement immédiat, justifié par les insultes proférées par le travailleur à l’égard de l’administrateur de l’employeuse).

Die obere kantonale Instanz stützte den Entscheid des erstinstanzlichen Gerichts.

 

Entscheid des Bundesgerichts

Das Bundesgericht schützte den Entscheid der Vorinstanz. Der Arbeitgeber habe behauptet, im April erneut ihre Bereitschaft zur Kündigung geäussert zu haben, was das obere kantonale Gericht zu Recht bestätigt habe. Der Arbeitgeber hatte als unmittelbare Folge der verbalen Auseinandersetzung seine Bereitschaft zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geäussert. Es habe sich um eine fristlose Entlassung gehandelt.

Zur Rechtmässigkeit der fristlosen Entlassung machte das Bundesgericht zuerst allgemeine Ausführungen, wobei es festhielt, dass Beschimpfungen und Persönlichkeitsverletzung eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen vermögen (wobei natürlich stets der Einzelfall zu betrachten ist):

L’art. 337 CO autorise l’employeur comme le travailleur à résilier immédiatement le contrat en tout temps pour de justes motifs (al. 1). Constituent notamment de justes motifs toutes les circonstances qui, selon les règles de la bonne foi, ne permettent pas d’exiger de celui qui a signifié le congé la continuation des rapports de travail (al. 2).  

Mesure exceptionnelle, la résiliation immédiate doit être admise de manière restrictive. Seul un manquement particulièrement grave peut justifier le licenciement immédiat du travailleur. Un manquement moins grave ne peut entraîner une telle sanction que s’il a été répété malgré un avertissement. Par manquement de l’une des parties, on entend en règle générale la violation d’une obligation imposée par le contrat, mais d’autres faits peuvent aussi justifier une résiliation immédiate (ATF 130 III 28 consid. 4.1 p. 31; 129 III 380 consid. 2.1 et 2.2). 

Le manquement doit être objectivement propre à détruire le rapport de confiance essentiel au contrat de travail ou, du moins, à l’atteindre si profondément que la continuation des rapports de travail ne peut raisonnablement pas être exigée; de surcroît, il doit avoir effectivement abouti à un tel résultat (ATF 142 III 579 consid. 4.2 et les arrêts cités). Le juge apprécie librement, selon les règles du droit et de l’équité (art. 4 CC), si la résiliation immédiate répond à de justes motifs (art. 337 al. 3 CO). Il prendra en considération toutes les circonstances du cas particulier et sa décision, rendue en vertu d’un pouvoir d’appréciation, ne sera revue qu’avec réserve par le Tribunal fédéral (entre autres, ATF 130 III 28 consid. 4.1 p. 32). Celui-ci intervient lorsque celle-ci s’écarte sans raison des règles établies par la doctrine et la jurisprudence en matière de libre appréciation, ou lorsqu’elle s’appuie sur des faits qui, dans le cas particulier, ne devaient jouer aucun rôle, ou à l’inverse, lorsqu’elle n’a pas tenu compte d’éléments qui auraient absolument dû être pris en considération; il sanctionnera en outre les décisions rendues en vertu d’un pouvoir d’appréciation lorsqu’elles aboutissent à un résultat manifestement injuste ou à une iniquité choquante (ATF 130 III 28 consid. 4.1 p. 32, 213 consid. 3.1; 129 III 380 consid. 2 p. 382). 

Des injures ou de la violence dirigées contre la personne de l’employeur peuvent constituer une atteinte à sa personnalité et justifier un licenciement immédiat s’ils atteignent une certaine intensité (arrêt 4A_60/2014 du 22 juillet 2014 consid. 3.3; 4C.247/2006 du 27 octobre 2006 consid. 2.6, WERNER GLOOR, Commentaire du contrat de travail, n° 38 ad art. 337 CO, p. 751). 

Das Bundesgericht war der Auffassung, dass die kantonale Instanz, indem sie die fristlose Entlassung als gerechtfertigt betrachtete, nicht gegen Bundesrecht verstossen hatte und es daher keine Grund für das Bundesgericht gab, in das Ermessen der kantonalen Instanzen einzugreifen.

Das Bundesgericht verwarf sodann die Auffassung des Arbeitnehmers, bei der Kündigung im Mai sei nur nochmals die ordentliche Kündigung bestätigt worden uns sei daher immer noch nichtig (Les prétentions du recourant tirées d’une prétendue nouvelle notification d’un congé ordinaire en avril 2017 se heurtent à la constatation de la cour cantonale selon laquelle l’employeuse a, à ce moment, prononcé un licenciement avec effet immédiat).

 

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Autor: Nicolas Facincani