Im Zusammenhang mit einer fristlosen Kündigung hatte das Bundesgericht im Entscheid 4A_481/2020 vom 10. Juni 2021 verschiedene Fragen zu beurteilen.

Unter anderem war strittig, ob die fristlose Entlassung einer Arbeitnehmerin einer Apotheke rechtzeitig ausgesprochen worden war. Sodann erkrankte die Arbeitnehmerin nach erfolgter fristloser Entlassung. Es stellte sich die Frage, ob dies Auswirkungen auf die Entschädigung der Arbeitnehmerin nach Art. 337c Abs. 1 OR hat.

 

Rechtzeitigkeit der fristlosen Kündigung

Die Begründung der Kündigung, welche am 30. August 2015 erfolgte, bestand aus einer Auflistung von Kritikpunkten an der Organisation und Durchführung der täglichen Arbeit der Mitarbeiterin, jedoch ohne ein konkretes Datum.

Einige dieser Mängel waren nachweislich bereits am 12. Februar 2015 bei einer Inspektion durch die Kantonsapotheke aufgefallen und wurden von der Mitarbeiterin behoben. Andere Mängel waren Gegenstand verschiedener E-Mails der Arbeitgeberin, in denen sie die Arbeitnehmerin aufforderte, diese zu beheben, ohne zu erwähnen, dass sie entlassen würde, wenn sie dies nicht täte. Zum Schluss wurde die Mitarbeiterin aufgefordert, gewisse Tätigkeiten innert einer Frist bis zum 14. August 2015 zu erledigen. Die Entlassung erfolgte erst am 30. August 2015, also 10 Arbeitstage nach Ablauf dieser Frist.

Die kantonale Vorinstanz war der Ansicht, dass eine Frist von zwei bis drei Arbeitstagen ausgereicht hätte, um dem Arbeitgeber die Möglichkeit zu geben, über die Kündigung nachzudenken und sich rechtlich zu informieren, und dass darüber hinaus die auf diese Gründe gestützte Kündigung verspätet war. Die fristlose Entlassung sei daher zu spät erfolgt und somit ungerechtfertigt.

Gemäss Arbeitgeber waren die zehn Arbeitstage im vorliegenden Fall durch die praktischen Erfordernisse des täglichen Lebens und des Geschäftsbetriebs gerechtfertigt gewesen, nämlich dadurch, dass der Arbeitgeber verpflichtet gewesen sei, eine Person in der Position eines verantwortlichen Apothekers zu beschäftigen, weshalb sie nicht kurzfristig auf die Arbeitnehmerin zu verzichten. Man habe aber so schnell wie möglich gehandelt.

 

Das Bundesgericht zur Rechtzeitigkeit der fristlosen Kündigung

Das Bundesgericht (Entscheid 4A_481/2020 vom 10. Juni 2021) verneinte die Rechtzeitigkeit der fristlosen Kündigung aus den folgenden Gründen:

Nach der Rechtsprechung müssten die von der kündigenden Partei geltend gemachten Tatsachen zum Verlust des Vertrauensverhältnisses, das die Grundlage des Arbeitsvertrages bildet, geführt haben. Nur ein besonders schwerwiegender Verstoss könne gemäss Bundesgericht die sofortige Entlassung des Mitarbeiters rechtfertigen. Bei weniger schwerwiegenden Verstössen könnten diese nur dann zur fristlosen Kündigung führen, wenn sie trotz Abmahnung wiederholt würden. Als Vertragsverletzung gelte in der Regel die Verletzung von Vertragspflichten durch eine der Parteien, aber auch andere Tatsachen könnten eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

Die Umstände des Einzelfalls bestimmen sodann gemäss Bundesgericht die Frist, innerhalb derer der Partei die Entscheidung zur fristlosen Kündigung zugemutet werden kann. Generell erachtet die Rechtsprechung eine Frist von zwei bis drei Arbeitstagen für die Überlegung und Rechtsberatung als ausreichend, wobei Wochenenden und Feiertage nicht berücksichtigt werden (BGE 138 I 113, Ziff. 6.3.2, S. 116). Eine zusätzliche Frist wird toleriert, wenn sie durch die praktischen Erfordernisse des täglichen Lebens und des Geschäftsbetriebs gerechtfertigt ist; eine Verlängerung um einige Tage kann daher zulässig sein, wenn die Entscheidung von einem polyfunktionalen Organ innerhalb einer juristischen Person getroffen werden muss oder wenn der Vertreter des Arbeitnehmers angehört werden muss.

Im vorliegenden Fall begründete der Arbeitgeber die Verzögerung ihrer fristlosen Kündigung mit der Notwendigkeit, eine Apothekerin zu beschäftigen, um die Apotheke betreiben zu können. Allerdings könnte gemäss Bundesgericht nur ein Grund, der es dem Kündigenden nicht erlaubt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, eine fristlose Kündigung rechtfertigen. In diesem Fall hatte der Arbeitgeber aber ein zwingendes Bedürfnis, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, um seine Apotheke betreiben zu können. Dies sei der einzige Grund gewesen, den er für seine verspätete fristlose Kündigung anführte. Es sei nicht um praktische, wirtschaftliche Umstände, die eine Verzögerung bei der Entscheidungsfindung oder -mitteilung rechtfertigten gegangen, sondern einfach um die Tatsache, dass der Arbeitgeber die Mitarbeiterin noch zum Betrieb ihrer Apotheke benötigte. Der Arbeitgeber habe damit gezeigt, dass er lieber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses akzeptierte, als den Betrieb wegen des Fehlens einer verantwortlichen Apothekerin einzustellen.

Daraus folgt gemäss Bundesgericht, dass die Kündigung verspätet war und nicht den Anforderungen des Art. 337 OR entspricht. Die kantonale Vorinstanz hatte gemäss Bundesgericht die Kündigung daher zu Recht als verspätet angesehen, da sie nicht innerhalb von zwei bis drei Tagen nach der angeblichen Pflichtverletzung der Arbeitnehmerin erfolgte.

 

Auswirkungen einer Krankheit nach erfolgter fristloser Entlassung ohne wichtigen Grund

Die Arbeitnehmerin erkrankte nach erfolgter fristloser Kündigung und war etwa während zwei Monaten arbeitsunfähig.

Nach Art. 337c Abs. 1 OR hat der Arbeitnehmer bei einer fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber ohne wichtigen Grund Anspruch auf das, was er verdient hätte, wenn das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist oder bei Beendigung des befristeten Vertrages geendet hätte.  Zudem hat ein Arbeitnehmer, welcher ohne wichtigen Grund fristlos entlassen wird, Anspruch auf eine Pönalentschädigung (Art. 337c Abs. 3 OR).

Der Arbeitgeber bestritt, dass die Arbeitsunfähigkeit nach der Entlassung bei der Anwendung von Art. 337c Abs. 1 OR berücksichtigt wird. Er argumentiert, dass das Arbeitsverhältnis tatsächlich und rechtlich an dem Tag endete, an dem die Kündigung ausgesprochen wurde, unabhängig davon, ob sie berechtigt war oder nicht. Die Arbeitsunfähigkeit sei somit nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses, hier am Folgetag, eingetreten und ihre Berücksichtigung bei der Berechnung der Kündigung verstosse gegen Art. 337c Abs. 1 OR.

 

Das Bundesgericht zu den Auswirkungen der Krankheit

Das Bundesgericht hielt fest, dass bei der Bestimmung des Ablaufs der Kündigungsfrist ist eine allfällige Verlängerung aufgrund des Eintritts einer Schutzfrist im Sinne von Art. 336c Abs. 2 OR nach der Vertragsbeendigung zu berücksichtigen sei.

Wurde die Kündigung vor einer vollständigen oder teilweisen Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer unverschuldeten Krankheit ausgesprochen, so ist die Kündigungsfrist gemäss Art. 336c Abs. 1 lit. b und Abs. 2 OR während dieser Arbeitsunfähigkeit unterbrochen und läuft erst nach deren Ende weiter. Die maximale Schutzdauer im zweiten Dienstjahr beträgt 90 Tage.

Hätte das Arbeitsverhältnis vorliegend mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist geendet, wäre es nach einem Zeitraum von drei Monaten, verlängert um die zweimonatige effektive Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, beendet worden. Dies führt dazu, dass die Krankheit bei der Entschädigung nach Art. 337c Abs. 1 zu berücksichtigen ist.

A teneur de l’art. 337c al. 1 CO, lorsque l’employeur résilie immédiatement le contrat sans justes motifs, le travailleur a droit à ce qu’il aurait gagné si les rapports de travail avaient pris fin à l’échéance du délai de congé ou à la cessation du contrat conclu pour une durée déterminée. La détermination de l’échéance du délai de congé doit tenir compte d’une éventuelle prolongation fondée sur la survenance, après la résiliation du contrat, d’une période de protection au sens de l’art. 336c al. 2 CO (arrêt 4A_517/2010 du 11 novembre 2010 consid. 4.2; AUBERT GABRIEL, Commentaire romand du CO, 2e éd. 2012, n° 1 ad art. 337c CO; BRÜHWILER JÜRG, Kommentar zu den Art. 319-343 OR, 3e éd. 2014, n° 3 ad art. 337c CO; GLOOR WERNER, in: Commentaire du contrat de travail, 2013, n. 9 ad art. 337c CO). Selon l’art. 336c al. 1 let. b et al. 2 CO, si le congé a été donné avant une incapacité de travail totale ou partielle résultant d’une maladie non imputable à la faute du travailleur, alors le délai de congé est suspendu durant cette incapacité et ne continue à courir qu’après la fin de la période. La période de protection maximale durant la deuxième année de service est de 90 jours. En l’espèce, s’ils avaient pris fin à l’échéance du délai de congé ordinaire, les rapports de travail se seraient terminés après un délai de trois mois pour la fin d’un mois, prolongé de la période d’incapacité de travail de l’employée de deux mois. La cour cantonale a retenu que l’employée avait droit à son salaire durant l’intégralité de son incapacité pour cause de maladie, ce qui n’est pas contesté par la recourante.

 

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Autor: Nicolas Facincani

 

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