Art. 337d OR regelt den Fall, in welchem der Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund die Arbeitsstelle nicht antritt an oder diese fristlos verlässt. Es handelt sich um das Gegenstück der berechtigten fristlosen Entlassung des Arbeitnehmers.

Oft ist es unklar. Ob eine durch den Arbeitnehmer tatsächlich eine fristlose Kündigung des Arbeitsvertrages ausgedrückt wird oder ob andere Gründe für die Absenz des Arbeitnehmers vorliegen. Der Arbeitgeber ist in solchen Fällen gehalten, um die Ungewissheit zu beseitigen, den Arbeitnehmer zu mahnen (hierzu etwa Etter/Stucky, in: Etter/Facincani/Sutter, Arbeitsvertrag, Art. 337d N 5 und zur Kasuistik N 8). Wenn keine Wiederaufnahme der Tätigkeit erfolgt, kann von einer firstlosen Kündigung des Arbeitnehmers ausgehen.

Wiederum ist zum Teil unklar, ob ein Arbeitgeber selbst eine fristlose Kündigung aussprach oder er von einem fristlosen Verlassen der Arbeitsstelle durch den Arbeitnehmer ausging.

 

BGer 462/2023 vom 17. Januar 2023

Am Montag, dem 7. Dezember 2020, erschien der Arbeitnehmer aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit, die am 8. Dezember 2020 von seinem behandelnden Arzt bestätigt wurde und bis zum 14. Dezember 2020 andauerte, nicht an seinem Arbeitsplatz.

Der Arbeitnehmer behauptete im Verfahren, dass er seine Arbeitgeberin mit einer Nachricht vom 7. Dezember 2020 über seine Abwesenheit informiert und sein ärztliches Attest nach Erhalt übermittelt habe; die Arbeitgeberin gab an, dass sie sich nicht daran erinnern könne, ob es Nachrichten über seine Abwesenheit gegeben habe, dass er das ärztliche Attest jedoch verspätet erhalten habe.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 2020 kündigte die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer wegen Verlassens der Arbeitsstelle mit Wirkung zum 7. Dezember 2020. Sie machte geltend, dass er einen schweren Fehler begangen und das Vertrauensverhältnis unwiederbringlich zerstört habe. Sie machte auch geltend, er habe Geld, Aktenordner, Buchhaltungsunterlagen, Kundendaten gestohlen und Computerdateien manipuliert.

Die Vorinstanz ging von einer ungerechtfertigten fristlosen Entlassung aus.

 

Keine gerechtfertigte fristlose Entlassung

Das Bundesgericht ging davon aus, dass die Arbeitgeberin behauptete, dass der Arbeitnehmer am 7. Dezember 2020 seine Arbeit aufgegeben habe, was jedoch nicht der Fall gewesen sei. Der Arbeitnehmer hatte der Arbeitgeberin ein ärztliches Attest vom 8. Dezember 2020 übermittelt, um zu begründen, dass er am Vortag nicht zur Arbeit erschienen war; die Arbeitgeberin bestritt nicht, dass sie dieses Attest erhalten hatte.

Die vom Arbeitnehmer vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen liessen keinen Anlass, an ihrer Gültigkeit zu zweifeln. Schließlich hatte sich der Arbeitnehmer nicht rechtswidrig verhalten: Die Behauptungen der Arbeitgeberin, der Arbeitnehmer habe Geld, Aktenordner, Buchhaltungsunterlagen, Kundendaten gestohlen und Computerdateien manipuliert, seien nicht bewiesen, und die Arbeitgeberin habe auch keine Strafanzeige gegen den Arbeitnehmer eingereicht.

In ihrer Beschwerde an das Bundesgericht beharrte die Arbeitgeberin darauf, dem Arbeitnehmer vorzuwerfen, diese habe seine Stelle aufgegeben, stützt sich aber auf eine Reihe von Elementen, die sich nicht aus dem kantonalen Urteil ergeben, ohne dass Willkür geltend gemacht bzw. nachgewiesen wird. Aus diesem Grund wurde die Beschwerde an das Bundesgericht abgewiesen.

 

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Autor: Nicolas Facincani

 

 

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