Nach Art. 337 OR kann der Arbeitgeber (oder auch der Arbeitnehmer) das Arbeitsverhältnis aus wichtigen Gründen jederzeit fristlos auflösen. Die fristlose Entlassung kann jederzeit ausgesprochen werden. Als wichtiger Grund gilt jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf.

Nach der Rechtsprechung ist eine fristlose Entlassung ist nur bei besonders schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers gerechtfertigt, welche:

  • objektiv geeignet sind, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tief greifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zuzumuten ist (objektive Komponente), und
  • auch tatsächlich zu einer derartigen Zerstörung oder Erschütterung des gegenseitigen Vertrauens geführt haben (subjektive Komponente; vgl. zum Ganzen Etter/Stucky, in: Etter/Facincani/Sutter, Arbeitsvertrag, Art. 337 N 9 ff.).

Im Entscheid 4A_342/2021 vom 13. Oktober 2021 hatte das Bundesgericht die Rechtmässigkeit einer fristlosen Entlassung durch einen Arbeitgeber zu beurteilen. Das besondere daran war, dass dem Arbeitnehmer verschiedene Versäumnisse und Verletzungen seiner Pflichten vorgeworfen wurde, welche zum Teil für sich alleine genommen, eine fristlose Kündigung noch nicht gerechtfertigt hätten.

 

Sachverhalt

Dem Entscheid 4A_342/2021 vom 13. Oktober 2021 lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Arbeitnehmer war ab dem 1. November 2006 Geschäftsführer der Personalvorsorgestiftung. Per Ende 2013 gab er das Amt als Geschäftsführer ab, blieb aber im 50%-Pensum für das Ressort „Immobilienanlagen“ verantwortlich. Am 28. April 2014 kündigte die Personalvorsorgestiftung fristlos. Sie warf diesem vor, im Zusammenhang mit der Führung des Projekts „X.________“, dem Bau und Betrieb eines Rechenzentrums. ihre Interessen grob verletzt zu haben.

 

Pflichtverletzungen durch den Arbeitnehmer

Die kantonale Vorinstanz erwog, der Arbeitnehmer habe bis Ende 2013 als Geschäftsführer einer Vorsorgeeinrichtung gemäss BVG und darüber hinaus in seiner Funktion als Inhaber des Ressorts „Immobilienanlagen“ der Arbeitgeberin einer treuhänderischen Sorgfaltspflicht nach Art. 48 ff. BVG, insbesondere Art. 51b BVG sowie deren Ausführungsbestimmungen unterstanden und in seiner Tätigkeit die Interessen der Versicherten wahren müssen. Die einschlägigen Bestimmungen (insb. die Charta des Schweizerischen Pensionskassenverbands, ASIP-Charta, und verschiedene interne Reglemente und Richtlinien) hätten den Beschwerdeführer namentlich zu Integrität und Loyalität sowie dazu verpflichtet, jährlich und bei besonderen Vorkommnissen den Stiftungsrat zu orientieren, damit dieser über die nötigen Informationen verfüge. Dabei wurden verschiedene Pflichten verletz. Nicht alle würden aber für sich alleine eine fristlose Entlassung rechtfertigen. Als besonders krasse Pflichtverletzung wurde etwa das Folgende beurteilt:

  • Der Arbeitgeber habe das Budget mit Abschluss eines Darlehensvertrages über rund Fr. 63 Mio. um rund Fr. 20 Mio. überschritten. Dabei handle es sich um keine Kleinigkeit und schon gar nicht um ein „noch zu erarbeitendes Detail“. Wenngleich die Arbeitgeberin mit einer gewissen Kostenüberschreitung habe rechnen müssen, gelte dies nicht im effektiven Ausmass. Indem der Arbeitnehmer ein derart eigenmächtiges Geschäft, noch dazu in Überschreitung der internen Richtlinien sowie der Vorgaben der Immobilienkommission ohne vorgängige Information der Organe der Arbeitgeberin abgeschlossen habe, habe er deren Vertrauen nachhaltig zerstört. Dies gelte umso mehr, als der Darlehensvertrag für die Arbeitgeberin äusserst unvorteilhaft gewesen sei, da der Beschwerdeführer keinerlei Sicherheiten verlangt und sämtliche Kontrolle der Darlehensgeberin über den Geldfluss aus der Hand gegeben habe. Zudem habe er die Arbeitgeberin auf Jahrzehnte hinaus verpflichtet. Die unterlassene Information über die Erhöhung des Darlehensbetrages um Fr. 20 Mio. und das Verheimlichen des Vertrages stelle eine besonders schwere Verfehlung des Beschwerdeführers dar, so die Vorinstanz. Daran ändere nichts, dass die Arbeitgeberin den Darlehensvertrag erst nach seiner fristlosen Kündigung zu Gesicht bekommen habe. Auch nachträglich zutage getretene Vorkommnisse könnten eine fristlose Kündigung rechtfertigen (BGE 142 III 579 4.3 mit Hinweisen). Ebenso wenig sei arbeitsrechtlich entscheidend, ob das dem Arbeitnehmer vorgeworfene Verhalten strafrechtlich relevant sei.
  • Die Vorinstanz erblickte eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers ferner darin, dass der Darlehensvertrag keinen Mechanismus vorgesehen habe, mit dessen Hilfe die zweckmässige Verwendung des Darlehens habe gewährleistet werden können. Die Vorinstanz beurteilte die Pflichtverletzung als grob und eine fristlose Kündigung rechtfertigend.
  • Eine weitere eklatante Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Darlehensvergabe erblickte die Vorinstanz ferner darin, dass der Arbeitnehmer trotz des Geschäftsvolumens von Fr. 63 Mio. keinerlei Sicherheiten für den Kredit verlangt, sondern im Gegenteil ausdrücklich darauf verzichtet habe. Er hätte wissen müssen, dass er unter den gegebenen Umständen Sicherheiten hätte verlangen müssen, was denn auch üblich sei. Überdies habe der Beschwerdeführer die Anlagevorschriften des BVG sowie der konkretisierenden Verordnungen und Richtlinien gekannt, welche im Interesse der Versicherten einen besonders sorgfältigen Umgang mit den Geldern verlangen würden. Diese Vorgaben habe der Arbeitnehmer missachtet, was ebenfalls für sich genommen eine fristlose Kündigung legitimiere.

Sodann lagen mehrere weitere Pflichtverletzungen vor, welche jedoch für sich alleine genommen als noch nicht so gravierend beurteilt wurden (vgl. hierzu die Erwägung 3 des Entscheids).

 

Entscheid des Bundesgerichts

Der Arbeitnehmer konnte mit seinen Rügen vor Bundesgericht nicht durchdringen. Das Bundesgericht hielt fest, dass der Arbeitnehmer mehrere Pflichtverletzungen begangen habe, wobei die Vorinstanz diese zu Recht als schwer und dazu geeignet beurteilt habe, die wesentliche Vertrauensgrundlage des Arbeitsverhältnisses zu zerstören oder zumindest tiefgreifend zu erschüttern. Die Vorinstanz habe kein Bundesrecht verletzt, wenn sie erwogen habe, die erwähnten Pflichtverletzungen würden je für sich genommen, jedenfalls aber zusammen sowie unter Einbezug weiterer, leichterer Verfehlungen, eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Daran wurde weder das langjährige Arbeitsverhältnis oder die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers noch das Alter des Beschwerdeführers etwas ändern.

 

Allgemeine Ausführungen zur fristlosen Kündigung

Das Bundesgericht macht auch in diesem Entscheid mehrere allgemeine Ausführungen zur fristlosen Entlassung.

 

Zuerst führte es aus, wann eine fristlose Entlassung gerechtfertigt ist:

3.2.1. Nach Art. 337 OR kann der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus wichtigen Gründen jederzeit fristlos auflösen (Abs. 1). Als wichtiger Grund gilt jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf (Abs. 2). Über das Vorhandensein solcher Umstände entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen (Abs. 3). Derartige Ermessensentscheide prüft das Bundesgericht an sich frei. Es übt dabei aber Zurückhaltung und schreitet nur ein, wenn die Vorinstanz grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen abgewichen ist, wenn sie Tatsachen berücksichtigt hat, die für den Entscheid im Einzelfall keine Rolle spielen dürfen, oder wenn sie umgekehrt Umstände ausser Betracht gelassen hat, die hätten beachtet werden müssen. Es greift ausserdem in Ermessensentscheide ein, wenn sich diese als offensichtlich unbillig, als in stossender Weise ungerecht erweisen (BGE 130 III 28 E. 4.1, 213 E. 3.1; 129 III 380 E. 2; je mit Hinweisen).  

Gemäss der Rechtsprechung zu Art. 337 OR ist eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber nur bei besonders schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers gerechtfertigt. Diese müssen einerseits objektiv geeignet sein, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tiefgreifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zuzumuten ist, und anderseits auch tatsächlich dazu geführt haben. Sind die Verfehlungen weniger schwerwiegend, müssen sie trotz Verwarnung wiederholt vorgekommen sein (BGE 142 III 579 E. 4.2; 130 III 28 E. 4.1, 213 E. 3.1; 129 III 380 E. 2.1 mit Hinweisen). Zu berücksichtigen ist auch die verbleibende Zeit bis zur ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ob die dem Arbeitnehmer vorgeworfene Pflichtverletzung die erforderliche Schwere erreicht, lässt sich nicht allgemein sagen, sondern hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (BGE 142 III 579 E. 4.2; zum Ganzen: Urteil 4A_7/2018 vom 18. April 2018 E. 4.2.1 f., nicht publ. in BGE 144 III 235; je mit Hinweisen). 

 

Zudem wurde auch hier festgehalten, dass eine fristlose Entlassung sofort ausgesprochen werden muss:

3.2.2. Eine fristlose Kündigung ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ohne Verzug nach Kenntnis des wichtigen Grundes auszusprechen, andernfalls Verwirkung anzunehmen ist (BGE 123 III 86 E. 2a; Urteil 4A_610/2018 vom 29. August 2019 E. 4.2.2.1; je mit Hinweisen). Eine Frist von zwei bis drei Arbeitstagen zum Nachdenken und Einholen von Rechtsauskünften wird als angemessen erachtet. Eine längere Frist wird nur zugestanden, sofern praktische Erfordernisse des Alltags- und Wirtschaftslebens eine solche als berechtigt erscheinen lassen (BGE 130 III 28 E. 4.4; 112 II 41 E. 3b). So wird juristischen Personen, bei denen der Entscheid über die Kündigung in die Kompetenz eines mehrköpfigen Organs fällt, aufgrund des längeren Willensbildungsprozesses eine Entscheidungsfrist von etwa einer Woche zugestanden. Entsprechend hat das Bundesgericht eine Überlegungsfrist von acht Tagen bzw. sechs Arbeitstagen als zulässig erachtet (Urteil 4A_477/2011 vom 27. September 2011 E. 2.1).  

Zudem muss bei einem klaren Sachverhalt anders vorgegangen werden als in Fällen, in denen zuerst Abklärungen notwendig sind oder die Verfehlungen erst langsam an den Tag treten. Ist der Vorwurf von Anfang an klar und ist nur zu ermitteln, ob er zutrifft oder nicht, so kann der Arbeitgeber schon während der Abklärung des Sachverhalts überlegen, wie er reagieren will, wenn sich der Vorwurf als zutreffend erweist. In einem solchen Fall kann verlangt werden, dass er die fristlose Entlassung nach Feststellung des Sachverhalts sofort ausspricht, ohne dass ihm noch einmal eine Überlegungsfrist gewährt werden muss. Liegt ein konkreter nennenswerter Verdacht gegen eine individuelle Person vor, bei dessen Erhärtung der Arbeitgeber in Betracht zieht, das Arbeitsverhältnis zum Arbeitnehmer sofort zu beenden, ist zu verlangen, dass der Arbeitgeber unverzüglich alle ihm zumutbaren Massnahmen ergreift, um Klarheit zu gewinnen. Wartet er mit den Abklärungen der gegen den Arbeitnehmer erhobenen Vorwürfe zu, deutet dies darauf hin, dass das gegenseitige Vertrauensverhältnis nicht unwiederbringlich zerstört und es ihm subjektiv zumutbar ist, die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten (Urteile 4A_610/2018 vom 29. August 2019 E. 4.2.2.1; 4C.188/2006 vom 25. September 2006 E. 2; 4C.187/2004 vom 5. Juli 2004 E. 4.1; je mit Hinweisen).

 

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Autor: Nicolas Facincani

 

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