Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts A-5236/2022 vom 21. August 2023 hat medial hohe Wellen geworfen. Ein Angestellter des Bundes wurde von seinem Chef fristlos entlassen, nachdem dieser auf Postings in den sozialen Medien aufmerksam wurde. So hatte der Arbeitnehmer Öffentliche Kritik am Bundesarbeitgeber und gegenüber Frauen geübt.

 

Fristlose Kündigung nach BPG

Aus wichtigen Gründen können die Vertragsparteien privatrechtlicher Arbeitsverhältnisse diese jederzeit fristlos auflösen (Art. 337 Abs. 1 OR). Dasselbe gilt für öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnisse nach dem Bundespersonalgesetz (Art. 10 Abs. 4 BPG). Als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung nach Art. 10 Abs. 4 BPG gilt jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein der kündigenden Partei nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf. Es darf diesbezüglich die Praxis zu Art. 337 Abs. 1 OR berücksichtigt werden, wobei den Besonderheiten des öffentlichen Dienstes jedoch Rechnung zu tragen ist.

 

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall arbeitete ein Arbeitnehmer bei einer Bundesverwaltungsbehörde im Direktionsbereich. Der Arbeitgeberin wurden Informationen zugetragen, wonach der Arbeitnehmer sich in den sozialen Medien unter anderem wie folgt geäussert haben soll:

  • Auf LinkedIn unter einem Beitrag in Zusammenhang mit damals neuen Covid-Massnahmen bezichtigte er den Bundesrat, eine versprochene Freiwilligkeit gewisser Massnahmen nicht eingehalten zu haben (vgl. «Lüge über Lüge»)
  • In einem anderen Post warf er dem Bundesamt für Gesundheit vor, die Leute zu tracken, ohne es ihnen zu sagen.

Nachdem ein Mitarbeiter eine E-Mail an die Belegschaft mit der Anrede «Werte Kolleg:innen» verfasst, antworte der Arbeitnehmer diesem mit Kopie an alle Mitarbeitenden, er sei, wie er bereits mehrfach mitgeteilt habe, keine «Kolleg:innen», diese Bezeichnung sei grammatikalisch schlicht falsch. Insgesamt sei das «Gendern» nicht einfach eine dumme Modeerscheinung, sondern brandgefährlich. Er unterzeichnete die Mail mit «besten Grüss:innen 😊».

Infolge dieser Ereignisse wies die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer schriftlich darauf hin, dass seine E-Mail im Betrieb zu erheblichen Verstimmungen geführt habe. Sowohl der Hauptadressat als auch andere Mitarbeitende hätten sich durch den Inhalt und Tonalität in ihrer Persönlichkeit angegriffen gefühlt.

Es folgte ein Personalgespräch zu dieser Sache. In diesem machte der Arbeitnehmer unter anderem psychische Probleme geltend, weshalb er vorerst krankgeschrieben sei. Im Übrigen bedauerte er, die zur Diskussion stehende E-Mail an alle Mitarbeitenden verschickt zu haben. Sie sei keine Drohung gewesen, ansonsten er ja keinen Smiley hinzugefügt hätte. Was den Gebrauch des Doppelpunktes betreffe, akzeptiere er, dass die Geschäftsleitung keinen Anlass sehe, die Zulässigkeit der freiwilligen Verwendung inklusiver Formen im internen Schriftverkehr infrage zu stellen.

Der Arbeitnehmer wurde darauf hingewiesen, dass der Vorfall trotz der fehlenden subjektiven Drohungsabsicht und des ausgedrückten Bedauerns Auswirkungen auf seine Leistungsbeurteilung haben werde. Einen weiteren Vorfall dürfe es nicht geben.

Später wurden der Arbeitgeberin diverse Screenshots von Twitterkommentaren zugesandt. Die Anzeigebilder des Kommentators zeigten jeweils ein Bild des Arbeitnehmers. Die auf den Screenshots abgebildeten Kommentare setzten eine Gruppe von Personen wegen ihrer sexuellen Orientierung in herab und richteten sich insbesondere gegen Frauen.

Infolge dieser Screenshots bat die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer telefonisch um ein persönliches Gespräch am nächsten Tag. Diesem stimmte der Arbeitnehmer nicht zu, zumal die Arbeitgeberin ihn telefonisch nicht über den Gesprächsgegenstand aufklären wollte. Da das Gespräch nicht stattfand, sandte die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer mit Einschreiben einen Verfügungsentwurf betreffend fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu und forderte ihn zur Stellungnahme auf. Der Arbeitnehmer holte das Einschreiben trotz vom Arbeitgeber unterstrichener Wichtigkeit nicht ab. Schliesslich löste der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit einer Verfügung im Sinne einer fristlosen Kündigung auf.

Gegen die Kündigungsverfügung erhob der Arbeitnehmer Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Er verlangte primär die Aufhebung der Kündigungsverfügung und damit seine Wiederanstellung.

 

Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

Vor dem Bundesverwaltungsgericht forderte der Arbeitnehmer in seinem Hauptantrag seine Wiederanstellung infolge Vorliegens einer missbräuchlichen Kündigung.

Dazu führte der Arbeitnehmer insbesondere aus, die Vorinstanz habe die Kündigung ohne wichtigen Grund ausgesprochen. Es seien ihm das Verfassen und die Veröffentlichung von Twitterkommentaren vorgeworfen worden, ohne dass bewiesen sei, dass er deren Autor sei. Er könne sich auf die verfassungsmässig garantierte Meinungsäusserungsfreiheit berufen, sodass eine fristlose Kündigung, selbst wenn er der Verfasser der Kommentare wäre, nicht ausgesprochen werden könnte. Die fristlose Kündigung müsse daher als missbräuchlich qualifiziert werden, weil sie erfolgt sei, nachdem er, als von der Kündigung betroffene Person, eines seiner verfassungsmässigen Rechte ausgeübt habe. Die Arbeitgeberin äusserte sich nicht bezüglich Frage der Missbräuchlichkeit der Kündigung.

Das Bundesverwaltungsgericht hielt diesbezüglich fest, dass nach Art. 336 Abs. 1 lit. b OR eine Kündigung dann missbräuchlich sei, wenn sie ausgesprochen würde, weil die andere Partei eines ihrer verfassungsmässigen Rechte ausübe, es sei denn, die Rechtsausübung verletze eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis oder beeinträchtige wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb. Insgesamt sei aber äusserst fraglich, ob die Kommentare überhaupt von der (eng auszulegenden) Meinungsfreiheit i.S.v. Art. 336 Abs. 1 lit. b OR erfasst seien. Die Frage könne aber offengelassen werden, denn selbst wenn diese kündigungsbegründenden Kommentare unter die Meinungsfreiheit zu fassen wären, würde die damit begangene Treuepflichtverletzung die infrage stehende Kündigung rechtfertigen (vgl. auch unten).

Der Arbeitnehmer brachte weiter vor, seine Kündigung sei aufgrund der bestehenden Krankschreibung zur Unzeit erfolgt.

Hierzu hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass der Arbeitnehmer zwar im Kündigungszeitpunkt unbestrittenermassen krankgeschrieben, die fristlose Kündigung aber – wie zu sehen sein wird – berechtigt war und sich der Arbeitnehmer daher nicht auf Art. 34c Abs. 1 lit. c BPG berufen könne, um seine Wiederanstellung zu erreichen.

Eventualiter verlangte der Arbietnehmer die Auszahlung des Lohns bis nach Ablauf der ordentlichen Kündigung sowie die Entrichtung einer Entschädigung infolge ungerechtfertigter Kündigung.

Er führte dazu aus, selbst wenn ihm die Kommentare zugerechnet werden könnten, sei die fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt, zumal er aufgrund seines Namens von der Öffentlichkeit nicht ohne grösseren Aufwand als Angestellter des Bundes identifiziert werden könne und zudem eine völlige Überreaktion seitens seiner Arbeitgeberin erfolgt sei und in den Inhalt der kurzen Textnachrichten negative Geisteshaltungen hineininterpretiert würden, was sicher nicht zulässig sei. Es komme ausserdem auch Bundesangestellten die verfassungsrechtlich geschützte Meinungsäusserungsfreiheit zu, selbst wenn entsprechende Meinungsäusserungen nicht das Gefallen des Arbeitgebers fänden. Es liege insgesamt kein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vor.

Die Arbeitgeberin hielt dagegen vor, der Arbeitnehmer habe mitunter eine Gruppe von Personen wegen ihrer sexuellen Orientierung in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabgesetzt, sodass sogar eine Strafbarkeit nach Art. 261bis StGB in Betracht falle, es ausserdem und namentliche eine schwerwiegende Treuepflichtverletzung darstelle. Darüber hinaus habe sich der Arbeitnehmer über einen internen Leitfaden zum Verhaltenskodex hinweggesetzt, was insbesondere deshalb schwerwiege, weil vorab bereits mündliche und schriftliche Hinweise diesbezüglich erfolgten. Der Arbeitnehmer sei eine in diesen Kreisen bekannte Person und seine Anstellung beim Bund werde bei einer Namenssuche im Internet schnell ersichtlich. Der auf seinem Verhalten gründende Vertrauensverlust sei umso gravierender, weil er in seiner Funktion Einsicht in vertrauliche Dokumente habe. Die diskriminierenden und ehrverletzenden Äusserungen des Arbeitnehmers gegenüber einer Gruppe von Personen wegen deren sexuellen Ausrichtung sowie seine abermalige öffentlich geäusserte Kritik an einer ihrer Aufsicht unterliegenden Behörde habe das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen ihr und dem Arbeitnehmer nachhaltig zerstört.

 

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

Das Bundesverwaltungsgericht hielt fest, dass die Vertragsparteien befristete und unbefristete Arbeitsverhältnisse aus wichtigen Gründen fristlos kündigen können (Art. 10 Abs. 4 PBG). Als Grund für eine fristlose Kündigung nach Art. 10 Abs. 4 BPG gelte jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein der kündigenden Partei nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden dürfe, wobei die Praxis zu Art. 337 Abs. 1 und 2 OR berücksichtigt werden dürfe, den Besonderheiten des öffentlichen Dienstes aber Rechnung zu tragen sei. Nur ein besonderes Fehlverhalten des Arbeitnehmers rechtfertige eine fristlose Kündigung. Dieses Fehlverhalten müsse einerseits objektiv geeignet sein die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tiefgreifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zuzumuten sei. Andererseits müsse eine entsprechende Zerstörung oder Erschütterung auch tatsächlich vorliegen. Handle es sich um weniger schwerwiegende Verfehlungen, so sei die fristlose Kündigung nur dann gerechtfertigt, wenn die Verfehlungen trotz Verwarnung wiederholt auftreten würden.

Ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung könne insbesondere eine Verletzung der Treuepflicht (Art. 20 Abs. 1 BPG) sein. Die Anforderungen an die Treuepflicht seien anhand der konkreten Funktion und der Stellung des Arbeitnehmers zu bestimmen. Insgesamt werde von den Arbeitnehmenden eine sog. doppelte Loyalität gefordert. Geschuldet ist Loyalität nicht nur beim auf die Arbeit bezogenen (innerdienstlichen) Verhalten, sondern eben auch ausserhalb des Arbeitsverhältnisses (ausserdienstlich), wenn auch in geringerem Ausmass. Ein Staatsangestellter sei in seiner persönlichen Lebensgestaltung zwar grundsätzlich frei, habe jedoch die Schranken, die die besondere dienstrechtliche Stellung erfordert, zu respektieren. In de Rechtsprechung sei ferner anerkannt, dass Straftaten einen wichtigen Grund für eine fristlose Entlassung ohne vorgängige Verwarnung bilden können. Auch respektloses Verhalten gegenüber Arbeitskollegen sowie die beharrliche Missachtung berechtigter Weisungen trotz Verwarnung und Klarheit der Weisungen könne eine berechtigte fristlose Kündigung zur Folge haben.

Im vorliegenden Fall sei zu prüfen, ob der Arbeitgeberin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer zu Recht nicht mehr zugemutet werden konnte.

Der Arbeitnehmer sei gemäss Stellenbeschrieb zuständig für die Führung, Planung und Abwicklung der internationalen Angelegenheiten und vertrat seine Arbeitgeberin bei internationalen Foren. Er repräsentierte damit seine Arbeitgeberin vor bedeutenden internationalen Institutionen und Veranstaltungen. Er habe daher speziell um die Wahrung ihres Ansehens bemüht zu sein. Vor diesem Hintergrund sei seine Treuepflicht klarerweise erhöht.

In einem seiner Posts kritisierte er den Bundesratsentscheid, unterstellte ihm, Abzocker mit Steuergeldern zu retten. Eine derart polemische Kritik an die Adresse des Bundes vertrage sich nicht. Schwer wögen auch die Posts gegen Frauen. Sie enthielten verwerfliches Gedankengut, dessen Zurschaustellung nicht mit der repräsentierenden Funktion des Arbeitnehmers bei der Vorinstanz vereinbar sei, zumal es deren Ansehen ohne Weiteres beschädige. Zwar würden seine Posts nicht seine Arbeitsleistung beeinträchtigen, allerdings würde die objektive Schwere der Auswirkungen dieser Posts auf das Arbeitsverhältnis dadurch nicht ausreichend relativiert. Zusammengefasst habe der Arbeitnehmer mit seinen Kommentaren seine ausserdienstliche Treuepflicht gegenüber seiner Arbeitgeberin schwer verletzt. Bei der Gesamtwürdigung sei ausserdem zu berücksichtigen, dass die Kommentare im strafrechtlichen Sinne mindestens Beschimpfungen (Art. 177 StGB) darstellen dürften.

Alsdann sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer wiederholt gegen die Weisungen verstossen habe und trotz Ermahnung nicht aufgehört habe. Obwohl er vom entsprechenden Verhaltenskodex der Bundesverwaltung und der darin statuierten Pflicht, im Privatleben darauf zu achten, die Glaubwürdigkeit und das Ansehen des Bundes nicht zu beeinträchtigen, Kenntnis hatte, habe er genau das ein Jahr später getan, indem er die Bundesbehörden in den sozialen Medien der Lüge und der geheimen Überwachung bezichtigte. Ausserdem seien die trotz Ermahnung wiederholt politisch heiklen und verwerflichen privaten Kommentare in den sozialen Medien, denen womöglich sogar strafrechtliche Relevanz zukomme, ohne Weiteres geeignet, das Vertrauen zwischen der Arbeitgeberin und ihm tiefgreifend zu erschüttern – dies bei für ihn geltender erhöhter Treuepflicht. Der Arbeitnehmer habe sich in der Vergangenheit als unbelehrbar gezeigt, weshalb von einer (weiteren) Mahnung keine Besserung zu erwarten gewesen sei. Insgesamt erweise sich die fristlose Kündigung als berechtigt. Die Beschwerde des Arbeitnehmers wurde abgewiesen. Dieser hat nun den Fall an das Bundesgericht weitergezogen.

 

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Autoren: Nicolas Facincani/Laura Meier

 

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