Ein Arbeitnehmer machte vor dem Arbeitsgericht des Kantons Luzern verschiedene Ansprüche im Zusammenhang mit der durch den Arbeitgeber ausgesprochenen fristlosen Kündigung geltend. Am Schluss hatte sich das Bundesgericht mit dem Fall zu befassen (BGer 4A_151/2025 vom 20. Juni 2025).
Ab dem 20. März 2021 war der Arbeitnehmer, welcher als Allrounder, Hauswart, Chauffeur und Butler angestellt war, krankheitshalber zu 100% arbeitsunfähig. Am 22. März 2021 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos. In seinem Kündigungsschreiben begründete er diesen Schritt damit, dass der Arbeitnehmer am 20. März 2021 den Lift in der Liegenschaft Y. mit seinem Fuss blockiert und ihm zugleich gedroht habe.
Verfahren vor Arbeitsgericht Luzern
Der Arbeitnehmerbegründete seine Ansprüche vor dem Arbeitsgericht Luzern damit, dass ihm der Beklagte ohne Grund fristlos gekündigt habe. Er sei stets ein respektvoller, loyaler und hoch qualifizierter Mitarbeiter gewesen.
Demgegenüber machte der Arbeitgeber geltend, der Kläger habe am 20. März 2021 mit Arbeitnehmer Fuss den Lift blockiert und ihm gedroht, worauf er Angst bekommen habe. Zudem habe der Kläger am 22. März 2021 seine Ehefrau unvermittelt angeschrien und ihr gegenüber ebenfalls Drohgebärden gemacht. Sie beide hätten sich danach um Leib und Leben gefürchtet. Ebenfalls am 22. März 2021 habe ein Drittunternehmen das Aussendeck der Liegenschaft Y. reinigen wollen. Der Arbeitnehmer habe sich geweigert, die dafür notwendigen Wasserhähne zu öffnen. Unabhängig davon habe der Arbeitnehmer im Technikraum die Notizen für die Bedienung der Haustechnikanlage entfernt, was als Sachbeschädigung zu werten sei. Abgesehen davon habe der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bereits in früheren Jahren wegen anderen Fehlverhaltens mehrfach verwarnt.
Das Arbeitsgericht folgte der Sachdarstellung des Arbeitnehmers: Das Arbeitsgericht erwog, der Arbeitgeber habe nicht beweisen können, dass der Arbeitnehmer tatsächlich den Lift mit seinem Fuss blockiert habe. Zudem habe der Arbeitgeber selbst eingeräumt, dass er nach diesem Vorfall über den Arbeitnehmer habe lachen müssen. Dies spreche gegen eine als bedrohlich empfundene Nötigungssituation. Dem Arbeitgeber sei es auch nicht gelungen, ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers gegenüber der Ehefrau des Beklagten zu beweisen. Selbst wenn sich der Arbeitnehmers tatsächlich geweigert hätte, die Wasserhähne für die Reinigung des Aussendecks zu öffnen, rechtfertigte dies keine fristlose Kündigung: Zum einen sei der Arbeitnehmer damals zu 100% krankgeschrieben gewesen. Und zum anderen habe er die mit der Reinigung betraute Person nach einer kleinen Verzögerung in die Wohnung gelassen, sodass diese die Wasserhähne habe öffnen können. Es bestehe zudem bloss eine Vermutung, dass der Arbeitnehmer die Notizen aus dem Technikraum entfernt habe. Damit fehle es an einem wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung.
Das Kantonsgericht Luzern wies eine vom Arbeitgeber gegen den Entscheid des Arbeitsgerichts Luzern erhobene Berufung mit Urteil vom 10. Februar 2025 ab, soweit es darauf eintrat. Zugleich bestätigte es das arbeitsgerichtliche Urteil.
Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung
Gemäss Art. 337 OR kann der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus wichtigen Gründen jederzeit fristlos auflösen (Abs. 1). Als wichtiger Grund gilt jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf (Abs. 2). Über das Vorhandensein solcher Umstände entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen (Abs. 3).
Nach der Rechtsprechung zu Art. 337 OR ist eine fristlose Entlassung nur bei besonders schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers gerechtfertigt. Diese müssen einerseits objektiv geeignet sein, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tiefgreifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zuzumuten ist, und anderseits auch tatsächlich zu einer derartigen Zerstörung oder Erschütterung des gegenseitigen Vertrauens geführt haben. Sind die Verfehlungen weniger schwerwiegend, so müssen sie trotz Verwarnung wiederholt vorgekommen sein (BGE 130 III 28 E. 4.1, 213 E. 3.1; 129 III 380 E. 2.1 mit Hinweisen). Ob die dem Arbeitnehmer vorgeworfene Pflichtverletzung die erforderliche Schwere erreicht, lässt sich nicht allgemein sagen, sondern hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (BGE 142 III 579 E. 4.2; 127 III 153 E. 1a; 116 II 145 E. 6a).
Derartige Ermessensentscheide der Vorinstanz überprüft das Bundesgericht an sich frei. Es übt dabei aber Zurückhaltung und schreitet nur ein, wenn die Vorinstanz grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen abgegangen ist, wenn sie Tatsachen berücksichtigt hat, die für den Entscheid im Einzelfall keine Rolle spielen dürfen, oder wenn sie umgekehrt Umstände ausser Betracht gelassen hat, die hätten beachtet werden müssen. Es greift ausserdem in Ermessensentscheide ein, wenn sich diese als offensichtlich unbillig, als in stossender Weise ungerecht erweisen (BGE 137 III 303 E. 2.1.1; 130 III 28 E. 4.1, 213 E. 3.1; 129 III 380 E. 2; je mit Hinweisen).
Verfahren vor Bundesgericht (BGer 4A_151/2025 vom 20. Juni 2025)
Der Arbeitgeber leitete sein Recht auf fristlose Kündigung aus den behaupteten Drohungen bzw. Nötigungen sowie dem Entfernen der Notizen aus dem Technikraum ab. Folglich muss er den Beweis dafür erbringen, dass sich die entsprechenden Vorfälle tatsächlich ereignet haben. Dieser Nachweis ist dem Arbeitgeber gemäss dem angefochtenen Urteil nicht gelungen. Selbst für das Entfernen der Notizen aus dem Technikraum spricht nach den vorinstanzlichen Erwägungen „lediglich eine Vermutung“. Nach dem Regelbeweismass der vollen Überzeugung (vgl. BGE 148 III 134 E. 3.4.1) genügt eine solche blosse Wahrscheinlichkeit nicht. Die Arbeitgeber könnte unter diesen Umständen nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn er das negative Beweisergebnis der Vorinstanz umzustossen vermöchte.
Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass dem Arbeitgeber der Beweis für die Gründe, welche eine fristlose Kündigung rechtfertigen würden, nicht gelingen würde:
3.4. Die Ausführungen des Beschwerdeführers beschränken sich darauf, das Verhalten des Beschwerdegegners so darzustellen, wie es sich aus seiner eigenen Sicht zugetragen hat. Dazu würdigt der Beschwerdeführer die verschiedenen Partei- und Zeugenaussagen anders als die Vorinstanz. Er wirft der Vorinstanz unter anderem vor, aussagepsychologische Grundsätze missachtet zu haben. Auch zieht er aus den Rechtsschriften und den Beilagen andere tatsächliche Schlüsse als die Vorinstanz. Das Bundesgericht darf die Sachverhaltsfeststellungen einer Vorinstanz nur dann berichtigen und ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen. Aus der Beschwerde geht nicht hervor, dass die Vorinstanz den entscheidrelevanten Sachverhalt in einer solchen, qualifiziert falschen Weise festgestellt hätte. Ebenso wenig wird die Beweiswürdigung als willkürlich ausgewiesen. Der Beschwerdeführer hält den vorinstanzlichen Erwägungen bloss seine eigenen Behauptungen entgegen, zeigt aber nicht auf, weshalb die anderslautenden Würdigungen der Vorinstanz geradezu unhaltbar sein sollen. Entsprechend kann er aus seinen abweichenden Ausführungen zum angeblichen Fehlverhalten des Beschwerdegegners nichts zu seinen Gunsten ableiten.
3.5. Mangels hinreichend begründeten Sachverhalts- und Willkürrügen bleibt der vorinstanzlich festgestellte Sachverhalt massgebend: Danach hat der Beschwerdeführer nicht bewiesen, dass der Beschwerdegegner ihn und/oder seine Ehefrau genötigt bzw. bedroht hat. Ebenso wenig vermochte er mit der erforderlichen Sicherheit ein Entfernen der Notizen aus dem Technikraum darzutun.
Schliesslich kann der Beschwerdeführer auch aus dem verzögerten Öffnen der Wasserhähne für die Reinigung des Aussendecks nichts zu seinen Gunsten ableiten: Der Beschwerdegegner war damals zu 100% krankgeschrieben. Gemäss Art. 337 Abs. 3 OR begründet die unverschuldete Verhinderung des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung keinen wichtigen Grund.
Da die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung nicht erfüllt waren, hat die Vorinstanz die Berufung zu Recht abgewiesen.
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Autor: Nicolas Facincani
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