Im Entscheid BVGer A-1979/2024 vom 28. März 2025 hatte sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Frage zu befassen, ob eine fristlose Kündigung gerechtfertigt war oder nicht. Diese wurde aufgrund einer sexuellen Belästigung ausgesprochen. In der Begründung zu diesem Entscheid ging das Bundesverwaltungsgericht ausführlich auf die Anforderungen an eine fristlose Kündigung unter dem Bundespersonalrecht ein.
Dem Entscheid lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
Sachverhalt
Der Arbeitnehmer war seit dem 1. Juli 2022 bei Agroscope – eine dem Bundesamt für Landwirtschaft BLW angegliederten landwirtschaftlichen Forschungsanstalt (vgl. Art. 114 des Landwirtschaftsgesetzes [LwG, SR 910.1] und Art. 3 der Verordnung vom 23. Mai 2012 über die landwirtschaftliche Forschung [VLF, SR 915.7]) – als Systemtechniker (…) mit einem Beschäftigungsgrad von 100% angestellt. Am 25. März 2024 erhielt der Fachbereich Human Resources (nachfolgend: HR) Kenntnis davon, dass der Arbeitnehmer am 21. März 2024 einer Mitarbeiterin eine E-Mail mit beleidigenden und verletzenden Äusserungen sexueller Natur gesendet hatte. Die E-Mail beinhaltete folgenden Text: «Duh bruchch en hartte Bums [zeilenumbruch] Hallo […] ich war gestern nicht vor Ort. Gruss A._______».
Nach Feststellung des Sachverhalts wurde der Arbeitnehmer am 26. März 2024 über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe sowie die beabsichtigte fristlose Kündigung in Kenntnis gesetzt und erhielt Gelegenheit, sich mündlich dazu zu äussern. Agroscope stellte daraufhin A._______ den Entwurf der Kündigungsverfügung zu und gewährte ihm die Möglichkeit, bis zum 27. März 2024, um 14:00 Uhr, eine schriftliche Stellungnahme einzureichen. Zudem stellte sie A._______ per sofort frei. Innerhalb der gesetzten Frist reichte der Arbeitnehmer keine Stellungnahme ein.
Mit Verfügung vom 28. März 2024 löste Agroscope das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer mit sofortiger Wirkung auf. Der Arbeitnehmer machte in der Folge geltend, es sei der Anspruch auf das rechtliche Gehör verletzt worden. Zudem seien die Voraussetzungen an eine fristlose Kündigung nicht gegeben.
Fristlose Kündigung
Das Bundesgericht war der Ansicht, dass das rechtliche Gehör gewahrt wurde. Zu den Anforderungen an eine fristlose Kündigung unter dem Bundespersonalgesetz führte das Bundesgericht das Folgende aus:
Gemäss Art. 10 Abs. 4 BPG kann eine Vertragspartei das unbefristete oder befristete Arbeitsverhältnis aus wichtigen Gründen fristlos kündigen. Als wichtiger Grund gilt namentlich jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein der kündigenden Partei nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf (vgl. Art. 337 Abs. 2 OR). In diesem Zusammenhang ist die zu Art. 337 OR entwickelte Praxis auch im Bundespersonalrecht angemessen zu berücksichtigen, wobei den Besonderheiten des öffentlichen Dienstes Rechnung zu tragen ist (statt vieler BGE 143 II 443 E. 7.3). Das Gericht beurteilt nach freiem Ermessen, ob wichtige Gründe vorliegen (Art. 337 Abs. 3 OR), wobei alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind, insbesondere die Stellung und Verantwortung des Arbeitsnehmers, die Art und Dauer des Vertragsverhältnisses sowie die Natur und Schwere der Verfehlungen. Bei kurzen Kündigungsfristen ist die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses eher zumutbar als bei einer längeren (Portmann/Rudolph, Basler Kommentar Obligationenrecht I, 7. Auflage 2020 [BSK-OR I], Art. 337 N. 3 f.).
Fristlose Kündigung ohne vorgängige Verwarnung
4.4.2 Eine fristlose Kündigung ohne vorgängige Verwarnung ist nur bei einem besonders schweren Fehlverhalten der angestellten Person gerechtfertigt. Dieses muss einerseits objektiv geeignet sein, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tiefgreifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten ist. Andererseits muss es sich auch tatsächlich so auswirken. Wiegen die Verfehlungen weniger schwer, ist die fristlose Kündigung wie im privaten Arbeitsrecht nur gerechtfertigt, wenn sie trotz Verwarnung wiederholt begangen wurden (BGE 143 II 443 E. 7.5; 142 III 579 E. 4.2; 127 III 313). Die Schwere eines Vergehens, das zur fristlosen Kündigung geeignet ist, kann absolut oder relativ sein. Dort genügt eine einmalige (z.B. Diebstahl aus der Betriebskasse), hier erst eine trotz Verwarnung fortgesetzte Pflichtverletzung (z.B. regelmässiges Zuspätkommen; BGE 127 III 153 E. 1c S. 158; Urteil 2A.656/2006 vom 15. Oktober 2007 E. 5.2.4). Die fristlose Entlassung ist ausgeschlossen, wenn mildere Massnahmen wie eine Verwarnung, die vorübergehende Freistellung oder eine ordentliche Kündigung zur Verfügung stehen (Urteile des BGer 1C_514/2023 vom 4. März 2024, E. 7.1; 8C_146/2014 vom 26. Juni 2014 E. 5.4; 8C_203/2010 vom 1. März 2011 E. 3.5). Weniger gewichtige Vorkommnisse, die für sich allein eine fristlose Kündigung nicht rechtfertigen, können in Verbindung mit anderen Vorfällen einen wichtigen Grund im Sinne von Art. 337 OR darstellen.
Verhältnismässigkeit – ultima ratio
4.4.3 Dem Arbeitgeber muss beim Entscheid, ob ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorliegt, den Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV) beachten und darf die fristlose Kündigung nur in Ausnahmefällen als letztes Mittel (Ultima Ratio) aussprechen, dies unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des konkreten Falles und nach Prüfung, ob sie gerechtfertigt ist (Urteil des BGer 8C_146/2014 vom 26. Juni 2014 E. 5.4; Urteil des BVGer A-5236/2022 vom 21. August 2023 E. 8.4.2). Entsprechend hoch sind die Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes (Etter/Stucky, Arbeitsvertrag, Stämpflis Handkommentar, 2021, Etter/Facincani/Sutter [Hrsg.], Art. 337 OR N. 9).
Als Ultima Ratio ist die fristlose Entlassung erst dann zulässig, wenn dem Vertragspartner auch nicht mehr zugemutet werden darf, das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung aufzulösen. Sie setzt eine besonders schwere Verletzung der Arbeitspflicht oder anhaltende Verfehlungen des Gekündigten voraus (Abegg/Bernauer, in Präjudizienbuch OR, Gauch/Stöckli (Hrsg.), 11. Auflage 2025, Art. 337 N. 2). Mit dem Begriff der Zumutbarkeit in Art. 337 OR verweist das Gesetz auf ein wertendes Kriterium (BGE 129 III 380, E. 2.2). Es genügt nicht, dass das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien aus subjektiver Sicht zerstört ist. Auch aus objektiver Sicht muss die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Vertragsende für die kündigende Partei unzumutbar sein (Urteil des BGer 4A_659/2015 vom 28. Juni 2016 E. 2.2).
Der wichtige Grund
4.4.4 Ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung kann insbesondere in einer schweren Verletzung der in Art. 20 Abs. 1 BPG statuierten Treuepflicht liegen, also der Pflicht der Angestellten, die berechtigten Interessen ihres Arbeitgebers wie auch des Bundes zu wahren (sog. «doppelte Loyalität»). Die Anforderungen an die Treuepflicht sind dabei anhand der konkreten Funktion und der Stellung des Arbeitnehmers für jedes Arbeitsverhältnis gesondert aufgrund der Umstände und der Interessenlage des konkreten Einzelfalls zu bestimmen (vgl. Urteile des BVGer A-659/2023 vom 12. März 2024 E. 5.1.4; A-4475/2022 vom 8. Mai 2024 E. 4.4).
Der Umfang der Treuepflicht ist beschränkt und sie besteht nur so weit, als es um die Erreichung und Sicherung des Arbeitserfolges geht, also soweit ein genügender Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis besteht. Soweit sich ein Verhalten nicht direkt auf die Arbeitsleistung des betroffenen Arbeitnehmers (oder allenfalls anderer Angestellter) auswirkt, ist die geforderte objektive Schwere nur mit grosser Zurückhaltung anzunehmen (statt vieler Urteil des BVGer A-2134/2022 vom 9. September 2024 E. 5.3.5).
Die Treuepflicht verlangt namentlich die Unterlassung gewisser das Arbeitsverhältnis oder die Interessen des Arbeitgebers störender Aktivitäten. Dies betrifft insbesondere strafbares und rechtswidriges Handeln, aber auch ungebührliches Verhalten (BGE 143 II 443 E. 7; Urteil des BVGer A- 7515/2014 vom 29. Juni 2016 E. 4.5 m.w.H.). Auch respektloses Verhalten gegenüber Arbeitskollegen beziehungsweise grobe Verletzungen der gegenseitigen Achtung, der Höflichkeit und des Anstandes, die keine Beschimpfungen sind, können Grund zu einer fristlosen Kündigung geben (Urteil des BGer 4D_79/2016 vom 23. März 2017 E. 6); ebensolches gilt für eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz (vgl. Urteile des BGer 4A_105/2018 vom 10. Oktober 2018 E. 4.3; 4A_124/2017 vom 31. Januar 2018, E. 4.1 f.; 4A_238/2007 vom 2. Oktober 2007; BGE 132 III 257 E. 5; Urteile des BVGer A-4782/2023 vom 22. April 2024 E. 4.2; A-5997/2017 vom 14. März 2019 E. 5.6).
4.4.5 In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Straftaten, welche der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Arbeitstätigkeit oder auch im Privatleben zu Lasten der Mitarbeiter, des Arbeitgebers, aber auch von Kunden oder Dritten begeht, einen wichtigen Grund für eine fristlose Entlassung ohne vorgängige Verwarnung bilden können. Allerdings kommt es auch in diesen Fällen massgebend auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf die Schwere der Straftat und ob die Straftat unmittelbare Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis hat (Urteil 4A_625/2016 vom 9. März 2017 E. 6.2 m.H.). Eine fristlose Kündigung wurde beispielsweise als ungerechtfertigt beurteilt, wenn ein Arbeitnehmer mehrfach E-Mails mit pornografischem Inhalt versandte (vgl. Urteile des BGer 4A_124/2017 vom 31. Januar 2018 E. 4.1 f.; 4A_251/2009 vom 29. Juni 2009 E. 2.1 f., ferner Urteil 4A_251/2009 vom 29. Juni 2009 E. 2.1 f.). Dagegen wurde die fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers, der Arbeitskollegen zu einer Straftat gegen die gemeinsame Arbeitgeberin angestiftet hatte, als gerechtfertigt angesehen (Urteil des BGer 4A_168/2018 vom 2. Oktober 2018 E. 4.4).
Ob es zu einer Strafanzeige kommt, ob die Strafverfolgungsbehörden ihr Folge leisten und ob eine Verurteilung stattfindet, ist dabei unerheblich (Urteil des BGer 1C_514/2023 vom 4. März 2024 E. 7.3; Streiff/Von Kaenel/Rudolph, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 7. Aufl. 2012, S. 1102 f.).
E-Mail als sexuelle Belästigung
Das Bundesverwaltungsgericht hatte vorab zu prüfen, ob die oben genannte E-Mail als sexuelle Belästigung zu qualifizieren war. Auch hier machte das Bundesgericht zunächst präzise und ausführliche Ausführungen, die nachfolgend wiedergegeben werden sollen:
Sexuelle Belästigung
4.5.2 Unter den Begriff der sexuellen Belästigung fallen insbesondere Drohungen, das Versprechen von Vorteilen, das Auferlegen von Zwang und das Ausüben von Druck zum Erlangen eines Entgegenkommens sexueller Art (vgl. Art. 4 Satz 2 des Gleichstellungsgesetz [GlG, SR 151.1]), ferner unerwünschte sexuelle Annäherungen und Handlungen, die das Anstandsgefühl verletzen, sexistische Sprüche, anzügliche und peinliche Bemerkungen, das Aufhängen anstössiger Fotografien sowie das Versenden solcher E-Mails und von unerwünschten SMS (vgl. Urteil des BGer 4A_283/2022 vom 15. März 2023 E. 3.1). Wesentlich ist, ob die Würde der belästigten Person beeinträchtigt wird. Dies hängt stark von den konkreten Umständen ab, vom bisherigen Verhalten der handelnden Person, vom Geschlecht, von der persönlicher Beziehung, dem Arbeitsumfeld und -klima, dem Betrieb, der Branche usw. (zum Ganzen BGE 126 III 397 E. 7 bb; Urteile des BGer 4A_105/2018 vom 10. Oktober 2018 E. 3.3; 4A_124/2017 vom 31. Januar 2018 E. 4.1 f.; 4A_251/2009 vom 29. Juni 2009 E. 2.1 f.; 4C.60/2006 vom 22. Mai 2006 E. 3.1; Botschaft zum Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann und zum Bundesbeschluss über die Genehmigung einer Änderung der Verordnung über die Zuweisung der Ämter an die Departemente und der Dienste an die Bundeskanzlei, BBl 1993 I 1304). Die sexuelle Belästigung im Arbeitsverhältnis ist durch drei Tatbestandsmerkmale gekennzeichnet, nämlich eine Verhaltensweise mit sexuellem Bezug als objektives Kriterium, die Unerwünschtheit als subjektives Kriterium sowie den Arbeitsplatzbezug (Hirzel/Mössinger, in: Facincani/Hirzel/Sutter/Wetzstein [Hrsg.], Gleichstellungsgesetz, Bern 2022, Art. 4 N. 11). Die Absicht des Täters ist dagegen nicht entscheidend. Anders als im Strafrecht muss der Täter weder das Ziel im Auge haben, das Arbeitsverhältnis zu vergiften, noch muss er das Ergebnis voraussehen (Urteile des BVGer A-2913/2021 vom 24. Oktober 2022 E. 6.7 und A-5997/2017 vom 14. März 2019 E. 5.6).
Strafrechtliche und arbeitsrechtliche Relevanz
4.5.3 Sexuelle Belästigungen können nicht nur arbeitsrechtlich relevant sein, sondern unter den Voraussetzungen von Art. 198 Abs. 2 StGB auch strafrechtlich geahndet werden. Diese sind strenger als bei der gleichstellungsgesetzlichen Regelung. Verlangt ist entweder ein vorsätzlicher tätlicher Übergriff, also eine körperliche Berührung sexueller Art, oder eine grobe verbale Belästigung. Es ist daher durchaus möglich, dass trotz des Vorliegens einer Belästigung im Sinne von Art. 4 GlG eine sexuelle Belästigung im strafrechtlichen Sinne verneint wird. Die strafrechtliche Verfolgung erfordert einen Strafantrag der betroffenen Person (Hirzel/Mössinger, Gleichstellungsgesetz, a.a.O., Art. 4 N 42).
Verpflichtung des Arbeitgebers – Fürsorgepflicht
4.5.4 Der Arbeitgeber ist verpflichtet, angemessene und erforderliche Massnahmen zu ergreifen, um sexuelle Belästigung zu verhindern und betroffene Personen zu schützen (Art. 5 Abs. 3 GlG). Diese Schutzpflicht leitet sich aus dem allgemeinen Diskriminierungsverbot sowie der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ab (Hirzel/Mössinger, Gleichstellungsgesetz, a.a.O., Art. 4 N. 43). Der Vorinstanz obliegt in ihrer Funktion als Arbeitgeberin eine gesetzlich verankerte Fürsorgepflicht gegenüber allen Mitarbeitenden (Art. 6 Abs. 2 BPG i.V.m. Art. 328 OR). Diese Fürsorgepflicht umfasst neben dem Schutz der körperlichen und psychischen Gesundheit der Arbeitnehmenden auch den Schutz ihrer Würde und Sittlichkeit. Führungskräfte sind dazu verpflichtet, Hinweise auf Belästigungen ernst zu nehmen und geeignete Massnahmen zum Schutz der betroffenen Person zu ergreifen. Der Leitfaden «Prävention und Behandlung von Fällen sexueller Belästigung in der Bundesverwaltung» vom 31. August 2023 des Eidgenössischen Personalamts sieht eine Reihe von möglichen Disziplinarmassnahmen vor, darunter eine Verwarnung oder organisatorische Massnahmen wie die Änderung des Arbeitsortes. Diese Massnahmen müssen den konkreten Umständen angepasst sein und können insbesondere Vorkehrungen zur Vermeidung weiterer Kontakte umfassen. Entscheidend ist, dass der Schutz der belästigten Person gewährleistet und verhindert wird, dass ihr weitere Nachteile entstehen (Art. 328 OR).
Wird im Rahmen einer Untersuchung festgestellt, dass eine sexuelle Belästigung vorliegt, hat der Arbeitgeber diese angemessen zu sanktionieren. Die Bandbreite der möglichen Massnahmen reicht je nach Schwere des Vorfalls von einer Entschuldigung bis hin zur fristlosen Entlassung der belästigenden Person (Hirzel/Mössinger, in: Gleichstellungsgesetz, a.a.O., Art. 4 N 49). Nicht jede Form sexueller Belästigung stellt zwangsläufig einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung dar. So wurde beispielsweise eine fristlose Kündigung ohne vorgängige Verwarnung in Fällen, in denen ein Arbeitnehmer sexistische Bemerkungen gegenüber Kolleginnen äusserte oder eine E-Mail mit pornografischem Inhalt versandte, als unverhältnismässig eingestuft (vgl. Urteile des Bundesgerichts 4A_124/2017 vom 31. Januar 2018 E. 4.1 f.; 4A_251/2009 vom 29. Juni 2009 E. 2.1 f.).
Beurteilung der E-Mail
Die Nachricht des Beschwerdeführers «Duh bruchch en hartte Bums» weist gemäss Bundesverwaltungsgericht eindeutig auf eine Verhaltensweise mit klarem sexuellem Bezug hin. Die Mitarbeiterin empfand die E-Mail nicht als Scherz, sondern als unerwünscht und meldete den Vorfall umgehend der zuständigen Stelle der Vorinstanz. Das Geschehnis entstand im Zusammenhang mit einem verpassten Termin des Beschwerdeführers mit einem Techniker. Da er unentschuldigt abwesend war, kontaktierte ihn seine für den Empfang zuständige Kollegin über Skype. Erst am folgenden Tag, nachdem er die Nachricht zur Kenntnis genommen hatte, antwortete er ihr per E-Mail. Da die Nachricht einen arbeitsbezogenen Kontext hatte und zwischen zwei Arbeitnehmenden der Vorinstanz ausgetauscht wurde, besteht ein direkter Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis. Der Vorwurf der sexuellen beziehungsweise sexistischen Belästigung durch den Beschwerdeführer erweist sich daher als begründet. Die fragliche E-Mail beeinträchtigte die Würde der betroffenen Mitarbeiterin und stellte im Ergebnis eine Form der sexuellen Belästigung dar.
Beurteilung der fristlosen Kündigung
Das Bundesverwaltungsgericht kam ungeachtet des Vorliegens einer sexuellen Belästigung zum Schluss, dass diese ungerechtfertigt war. Gemäss Bundesverwaltungsgericht wäre es der Vorinstanz zumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis weiterzuführen und zunächst eine Verwarnung auszusprechen oder allenfalls ordentlich zu kündigen. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände seien keine wichtigen Gründe ersichtlich, die eine fristlose Kündigung ohne vorgängige konkrete Verwarnung rechtfertigen würden.
4.6.2 Die Vorinstanz kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos und ohne vorherige Verwarnung. Sie begründete diesen Schritt im Wesentlichen mit der festgestellten sexuellen Belästigung (vgl. E. 4.5). Der Beschwerdeführer war seit einem Jahr und neun Monaten bei der Vorinstanz angestellt, jedoch nicht in einer besonderen Vertrauensposition, die eine erhöhte Treuepflicht mit sich gebracht hätte. Zwischen dem Beschwerdeführer und der betroffenen Mitarbeiterin bestand auch kein spezielles Abhängigkeitsverhältnis, das einen gesteigerten Persönlichkeitsschutz erforderlich gemacht hätte, wie dies beispielsweise bei einem Lehrverhältnis zwischen einem Ausbilder und einer lernenden Person der Fall wäre (vgl. BGer-Urteil 2C_154/2012 vom 5. September 2012 E. 4.2). Gleichwohl ist festzuhalten, dass die E-Mail des Beschwerdeführers vom 21. März 2024 respektlos gegenüber der Mitarbeiterin war und gegen die gegenseitige Achtung, die Höflichkeit und den Anstand am Arbeitsplatz verstossen hat. Allerdings ist nicht nachgewiesen, dass die betroffene Mitarbeiterin derart unter dem Vorfall litt, dass eine weitere Zusammenarbeit mit dem Beschwerdeführer unmöglich erschien.
4.6.3 Eine fristlose Kündigung ist dann gerechtfertigt, wenn die Treuepflicht des Arbeitnehmenden in schwerwiegender Weise verletzt wurde und das Vertrauen des Arbeitgebers in ihn unwiderruflich zerstört ist. Die Vorinstanz ist als Arbeitgeberin aufgrund von Art. 328 OR und Art. 4 GlG verpflichtet, ihre Mitarbeitenden vor sexueller Belästigung zu schützen Dennoch ergibt sich – wie vorstehend ausgeführt – aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, dass nicht jede Form von sexueller Belästigung automatisch einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellt (vgl. E. 4.5.4).
Die Vorinstanz sprach die fristlose Kündigung unmittelbar aus, ohne eine nähere Abwägung vorzunehmen oder mildere Massnahmen in Betracht zu ziehen. Die von der Vorinstanz angeführten weiteren Indizien sind entweder sehr pauschal gehalten (Meldungen anderer Mitarbeiterinnen) oder nicht weiter belegt (Verhalten Software). Da es sich um nicht aktenkundige Behauptungen handelt, können diese bei der Beurteilung nicht berücksichtigt werden.
Das Verhalten des Beschwerdeführers war objektiv nicht geeignet, das Vertrauen in einem Ausmass zu zerstören, das eine fristlose Entlassung rechtfertigen würde. Zwar ist der Versand einer E-Mail, deren Inhalt als sexuelle Belästigung zu qualifizieren ist, grundsätzlich verwerflich. Jedoch ist im hier zu beurteilenden Fall nicht ersichtlich, inwiefern diese einmalige Pflichtverletzung die wesentliche Vertrauensgrundlage derart zerstört oder tiefgreifend erschüttert hat, dass der Vorinstanz eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aus Fürsorgepflicht gegenüber der Mitarbeiterin bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar gewesen wäre.
Das Verhältnismässigkeitsprinzip verlangt, dass eine Kündigung stets das letzte Mittel (Ultima Ratio) sein muss, insbesondere bei einer fristlosen Entlassung. Eine solche ist unzulässig, wenn dem Arbeitgeber mildere und ebenso wirksame Massnahmen zur Verfügung stehen, um das Arbeitsverhältnis in zumutbarer Weise fortzuführen. Das Absehen von einer Verwarnung oder anderen Massnahmen lässt sich vorliegend nicht mit der Schwere der Vorwürfe begründen. Die Vorinstanz legt weder dar, noch ist ersichtlich, dass mildere Massnahmen wie eine Verwarnung oder eine Kündigungsandrohung keine Wirkung gezeigt hätten.
Angesichts dieser Umstände wäre es der Vorinstanz zumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis weiterzuführen und zunächst eine Verwarnung auszusprechen oder allenfalls ordentlich zu kündigen. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände sind keine wichtigen Gründe ersichtlich, die eine fristlose Kündigung ohne vorgängige konkrete Verwarnung rechtfertigen würden.
4.7 Nach dem Gesagten erweist sich die von der Vorinstanz ausgesprochene fristlose Kündigung als ungerechtfertigt und die Beschwerde ist in diesem Punkt gutzuheissen.
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Autor: Nicolas Facincani
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