Der Schutz vor sexueller Belästigung gehört gemäss Art. 328 OR zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Dieser umfasst zum einen Massnahmen der Prävention und zum anderen das Eingreifen, wenn ein Fall von sexueller Belästigung vorliegt. Der Arbeitgeber muss insbesondere dafür sorgen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht sexuell belästigt werden und dass Opfern von sexuellen Belästigungen keine weiteren Nachteile entstehen. Unterlassung kann Schadenersatz oder auch Genugtuungsansprüche zur Folge haben.

Bei einer Diskriminierung durch sexuelle Belästigung gemäss GlG sieht dieses vor (Art. 5 Abs. 3 GlG), dass die betroffene Person Anspruch auf eine Entschädigung vom Arbeitgeber (nicht von der belästigenden Person) hat, wenn der Arbeitgeber nicht beweist, dass er Massnahmen getroffen hat, die zur Verhinderung sexueller Belästigungen nach der Erfahrung notwendig und angemessen sind und die ihnen zugemutet werden können. Diese Bestimmung zwingt den Arbeitgeber, konkret Massnahmen zur Verhinderung von sexueller Belästigung zu ergreifen.

Am wichtigsten ist, dass sich der Arbeitgeber stark macht für ein belästigungsfreies Klima. So hat ein Arbeitgeber zum Bespiel zu intervenieren, wenn er feststellt, dass sexistisches Material im Betrieb zirkuliert oder wenn eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitgeber das Ziel von abwertenden Sprüchen und Witzen ist.

Das Verwaltungsgericht hatte sich im Entscheid VB.2025.00009 vom 20. August 2025 mit der fristlosen Entlassung im Zusammenhang mit einer sexuellen Belästigung auseinanderzusetzen.

 

Fristlose Entlassung eines Zürcher Stadtpolizisten

Der betroffene Arbeitnehmer (geboren 1966) war ab dem 1. Januar 1988 in unterschiedlichen Funktionen bei der Stadtpolizei Zürich angestellt. Am 16. Februar 2024 wurde das Arbeitsverhältnis fristlos aufgelöst, weil er im Rahmen eines Einsatzes eine Arbeitskollegin sexuell belästigt haben soll.

Die Arbeitgeberin war dem Arbeitnehmer zusammenfassend das folgende Verhalten vor, das Anlass für die strittige (fristlose) Kündigung gegeben hat:

Anlässlich eines Einsatzes soll er am 17. Januar 2024 während einer Pause eine 21-jährige, noch nicht lange für die Beschwerdegegnerin tätige Kollegin gefragt haben, ob sie es für Fr. 300.- eine halbe Stunde „machen würde“. Als die Kollegin dies verneinte, habe er nachgefragt, ob sie es für Fr. 1’000.- „machen würde“, und habe auf erneute Verneinung der Frage durch die Kollegin bemerkt, dass „es andere im Dienst B schon für weniger Geld gemacht hätten“. Am darauffolgenden (Einsatz-)Tag habe der Beschwerdeführer gemeinsam mit der Betroffenen mit Kollegen der Kantonspolizei  zusammengesessen und dabei einen Kollegen aus dem betreffenden Kanton vor allen gefragt, ob dieser seine Arbeitskollegin auch schön fände, wobei er gesagt habe, dass er ihr „Geld für Sex“ angeboten habe. Der 2. Vorfall vom 18. Januar 2024 war vom Arbeitnehmer bestritten worden.

 

Anwendbares Recht

Das kantonale Recht macht den Gemeinden im Bereich des Personalrechts nur wenige Vorgaben. Nach Art. 47 Abs. 1 der Kantonsverfassung vom 27. Februar 2005 (LS 101) untersteht das Arbeitsverhältnis des Gemeindepersonals dem öffentlichen Recht. § 53 Abs. 1 des Gemeindegesetzes vom 20. April 2015 (GG, LS 131.1) wiederholt diese Regelung. Daneben sieht § 53 Abs. 2 GG vor, dass das kantonale Personalrecht sinngemäss anzuwenden ist, sofern eine Gemeinde keine eigenen Vorschriften erlässt. Die Regelung des Personalrechts fällt demnach in den Kompetenzbereich der Gemeinden, wobei ihnen ein erheblicher Gestaltungsspielraum zukommt.

Die Stadt Zürich hat von dieser Kompetenz mit Erlass des (Stadtzürcher) Personalrechts vom 6. Februar 2002 (PR, AS 177.100) sowie der dazugehörigen Ausführungserlasse Gebrauch gemacht.

Gemäss Art. 21 Abs. 1 PR kann das Arbeitsverhältnis beidseitig aus wichtigen Gründen ohne Einhaltung von Fristen jederzeit aufgelöst werden. Als wichtiger Grund gilt dabei jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar ist (Art. 21 Abs. 2 PR). Art. 21 Abs. 3 PR verweist betreffend Tatbestand und Rechtsfolgen der fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses ergänzend auf die Bestimmungen des Obligationenrechts (OR, SR 220). Entsprechend kann zur Auslegung von Art. 21 PR die Rechtsprechung zu Art. 337 ff. OR beigezogen werden; dabei ist den Besonderheiten des öffentlichen Dienstes Rechnung zu tragen (BGr, 26. Juni 2014, 8C_146/2014, E. 3.3; VGr, 10. November 2022, VB.2022.00367, E. 2.2).

 

Definition der sexuellen Belästigung

Das Verwaltungsgericht definierte zunächst die sexuelle Belästigung gemäss GlG:

Eine sexuelle Belästigung im Sinn von Art. 4 GlG liegt vor, wenn folgende Merkmale erfüllt sind: Zunächst handelt es sich um ein Verhalten, das sich auf den Arbeitsplatz bezieht; weiter ist das fragliche Verhalten von „sexueller Natur“; schliesslich beeinträchtigt das Verhalten die Würde der Betroffenen, das heisst, es ist unerwünscht, unangenehm und beleidigend. Unter den Begriff der sexuellen Belästigung fallen etwa unerwünschte sexuelle Annäherungen und Handlungen, die das Anstandsgefühl verletzen, sexistische Sprüche sowie anzügliche und peinliche Bemerkungen (vgl. Monika Hirzel/Rainer Mössinger in: Nicolas Facincani et al. [Hrsg.], Kommentar zum Gleichstellungsgesetz, Bern 2022, Art. 4 GlG N. 10 ff.; Eliane Braun/Judith Wyttenbach, Sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz, Bern 2022, S. 4; BGE 126 III 395 E. 7b/bb; BGr, 21. November 2018, 4A_18/2018, E. 3.1, und 18. August 2009, 4D_88/2009, E. 3).

 

Beurteilung durch das Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht taxierte den Vorfall als sexuelle Belästigung und schätzte die fristlose Kündigung (VB.2025.00009 vom 20. August 2025). Ins Gewicht falle, dass der Beschwerdeführer die sexuelle Belästigung beim besagten Vorfall in Uniform und während eines Diensteinsatzes begangen habe:

4.1 Das fragliche Verhalten des Beschwerdeführers bzw. der Vorfall vom 17. Januar 2024 ist nach dem Gesagten (vgl. E. 2.3 und E. 3) als sexuelle Belästigung zu qualifizieren. Der Beschwerdeführer war über dreissig Jahre bei der Beschwerdegegnerin angestellt und damit ein langjähriger Mitarbeiter, weshalb von einer stabilen Vertrauensbasis ausgegangen werden kann. Der Vorfall ist als gewichtig zu bezeichnen und stellt eine schwere Verfehlung dar. Sie war geeignet, diese Vertrauensbasis derart tiefgehend zu erschüttern, dass der Beschwerdegegnerin eine Weiterführung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten war. Mit den fraglichen Äusserungen hat er die Würde der jungen, betroffenen Kollegin verletzt, indem er sie objektifiziert und sich ihr unangebracht sexuell angenähert hat. Hinzu kommt, dass er der jungen Kollegin die Frage nach Sex nochmals stellte, auch nachdem diese beim ersten Mal verneint hatte, und dass er am Ende hinzufügte, dass „es andere im Dienst B schon für weniger Geld gemacht hätten“. Damit hat der Beschwerdeführer die persönlichen Grenzen der betroffenen Kollegin schwerwiegend missachtet. Sie sagte denn auch im Gespräch mit den Vorgesetzten, die beiden Vorfälle seien sehr unangenehm für sie gewesen; der Beschwerdeführer habe sie behandelt wie eine Prostituierte und er habe beim ersten Vorfall ihre Antwort nicht akzeptiert und nochmals nachgehakt.

4.2 Es sind auch keine milderen Massnahmen (wie etwa eine Mahnung oder eine Versetzung) ersichtlich, die geeignet gewesen wären, den tiefgreifenden Vertrauensverlust zu beheben. Der Beschwerdeführer zeigt bis heute keine Einsicht oder Ansätze einer Reflexion seines eigenen Verhaltens im Zusammenhang mit dem Vorfall. Anlässlich der erstmaligen Befragung zu den Vorfällen sagte er unter anderem, sein Fehler habe darin bestanden, der betroffenen Kollegin vor dem Stellen seiner Frage zu sagen, sie solle damit nicht zu einem Vorgesetzten gehen, und dass seiner Ansicht nach Fragen zu Sex Platz haben sollten in Gesprächen unter Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen. In seiner Stellungnahme zur beabsichtigten Kündigung führte er sodann aus, es sei zwar ein Fehler gewesen, er habe die betroffene Kollegin aber davor angesprochen, dass es eine unangenehme Frage sei, und ihr danach auch gesagt, dass es eine ehemalige Mitarbeiterin gegeben habe, die es für weniger machen wollte. Ausserdem hat der Beschwerdeführer in früheren Jahren mehrmals ein inadäquates Verhalten an den Tag gelegt, das namentlich seine Kommunikation und seinen Umgang mit Kolleginnen und Kollegen betraf. Diese Vorfälle haben Eingang in verschiedene Mitarbeiterbeurteilungen gefunden. Diesen ist etwa zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer mit unüberlegten Äusserungen Mitarbeiter verletzten könne, manchmal die (verbale) Provokation suche und im Jahr 2017 im Dienst „nicht polizeikonforme“, deplatzierte Äusserungen gegenüber einer Kollegin gemacht habe. Vor diesem Hintergrund stellte sich der Bruch im Vertrauensverhältnis als irreparabel dar. Die Beschwerdegegnerin durfte mithin davon ausgehen, dass allfällige mildere Mittel sich als untauglich erweisen würden. Das Absehen von einer Kündigung hätte denn auch der Glaubwürdigkeit der Beschwerdegegnerin als Institution geschadet und wäre mit ihrer Fürsorgepflicht als Arbeitgeberin nicht vereinbar gewesen. In diesem Sinn fällt ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer die <sexuelle Belästigung beim besagten Vorfall in Uniform und während eines Diensteinsatzes begangen hat. Der Beschwerdeführer war über dreissig Jahre bei der Beschwerdegegnerin beschäftigt und diese war mit Blick auf die in den Akten liegenden Beurteilungsgespräche insgesamt und über die Jahre hinweg mit seiner Leistung und seinem Verhalten grundsätzlich zufrieden. Die fristlose Kündigung trifft ihn deshalb hart. Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände, der dokumentierten Verhaltensmängel in der Vergangenheit, der Schwere der Verfehlung, seines Verhaltens im Nachgang an den besagten Vorfall sowie des irreparablen Vertrauensbruchs ist aber nicht zu beanstanden, wenn die Beschwerdegegnerin im vorliegenden Fall vom Aussprechen einer ordentlichen Kündigung (im Sinn eines milderen Mittels) abgesehen hat. Die fristlose Kündigung erweist sich als verhältnismässig.

 

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Autor: Nicolas Facincani

 

 

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